Der entwickelte Finanzplan soll im Juni Gegenstand der Beratungen in den Gremien der Stadt Friedrichshafen und des Bodenseekreises sein. Allerdings wurden über Jahrzehnte kleinen Verkehrsflughäfen in Deutschland – wie auch Friedrichshafen – Flugsicherungsgebühren auferlegt, die grössere Verkehrsflughäfen wie etwa Frankfurt, München oder Berlin nicht zu entrichten haben.
Beschlüsse zur weitere Finanzierung gefasst
Auch der Flughafen Friedrichshafen stark durch die COVID-19 Pandemie betroffen. Die finanziellen Auswirkungen in der gesamten Luftverkehrsbranche sind enorm. Der Flughafen Friedrichshafen musste aufgrund dieser Auswirkungen und einer eingetretenen Überschuldung Anfang Februar in ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (Schutzschirmverfahren) eintreten. «Die Buchungszunahmen in anderen europäischen Ländern mit einer bereits höheren Durchimpfung als in Deutschland zeigen, dass sich der Luftverkehr wieder erholen wird. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen, aber nach einer langen Zeit der Entbehrungen wird die Reiselust auch wieder eintreten. Wir haben bereits früher in schwierigen Zeiten gut gewirtschaftet und operativ positive Ergebnisse erreicht. Wir gehen davon aus, dass wir das auch wieder schaffen werden», so der Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr.
Bereits im Herbst 2020 wurde in den Gremien der beiden Hauptgesellschafter ein Massnahmenpaket erörtert und Beschlüsse zur weiteren Finanzierung gefasst. Bestandteile waren damals unter anderem der Ausgleich des finanziellen COVID-19 Schadens in der Zeit des Lockdowns von März bis Juni 2020 in Höhe von insgesamt 1,9 Mio. EUR sowie eine vorübergehende Umstrukturierungshilfe in Höhe von 6 Mio. EUR. Letztere wurde bisher noch nicht abgerufen. Der Finanzbedarf in den nächsten fünf Jahren (bis 2025) ergibt sich aus dem operativen Geschäft, den notwendigen Investitionen und den Finanzierungskosten. Im operativen Bereich werden aufgrund der COVID-19 Pandemie, die sich über den Lockdown von März bis Juni 2020 hinaus bis mindestens 2024 in niedrigeren Passagierzahlen niederschlägt, sowie in geringerem Masse durch das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung insgesamt 13,9 Mio. EUR erforderlich.
Finanzbedarf von über 43 Mio. Euro bis 2025
Für die nächsten fünf Jahre sind am Flughafen ausserdem Investitionen in die Infrastruktur in Höhe von 22,6 Mio. EUR notwendig. Hinzu kommen für die Finanzierung Aufwendungen von insgesamt 7,4 Mio. EUR bis 2025. Daraus ergibt sich für die nächsten fünf Jahre ein Finanzbedarf von insgesamt rund 43,8 Mio. EUR, oder jährlich rund 8,8 Mio. EUR. Spätestens ab 2024 soll das operative Geschäft gemäss den Planungen wieder schwarze Zahlen schreiben, sodass in den Folgejahren nur noch Zuschüsse für Investitionen von jährlich maximal 3 Mio. EUR erforderlich sein werden.
Der Finanzbedarf kann über die Massnahmen, die bereits im Herbst 2020 in den Gremien der beiden Hauptgesellschafter erörtert wurden und nochmals auch im Insolvenzverfahren bestätigt werden sollen, gedeckt werden. Wesentlicher Teil sind Finanzzuschüsse in die auch die vorübergehende Umstrukturierungshilfe einfliesst. Weiterer Teil des Finanzpakets soll ein Verkauf der Grundstücke des Flughafens an Gesellschafter oder an Unternehmen in deren Umfeld sowie die Rückanmietung durch den Flughafen sein. Die daraus resultierenden Mietkosten sind dann Teil der jährlichen operativen Kosten. Zu dieser Finanzierungsüberlegung werden derzeit noch Gespräche geführt.
Anfang Woche informierten Claus-Dieter Wehr und Alexander Reus, beide Geschäftsführer der Flughafen Friedrichshafen GmbH (FFG) zusammen mit dem vom Gericht eingesetzten Sachwalter, Rechtsanwalt Alexander Hubl, im Rahmen eines Pressegesprächs über die Massnahmen zur Finanzierung des Flughafens. Diese wurden gemeinsam mit den Gesellschaftern erarbeitet und werden in den kommenden Wochen Gegenstand der Gremien der Stadt Friedrichshafen und des Bodenseekreises sein. Die Stadt Friedrichshafen und der Bodenseekreis sind die beiden Hauptgesellschafter des Flughafens.
«Ich bin sicher, dass wir mit dem vorgeschlagenen Massnahmenpaket den Flughafen in diesen herausfordernden Zeiten finanziell sanieren können», so Wehr.
Kostenentlasung soll zur Gleichstellung der Flughäfen führen
Die von der Bundespolitik auf den Weg gebrachte Entlastung der Regionalflughäfen von den Flugsicherungskosten ist eine weitere wichtige Komponente, die die Finanzierung stützt und möglicherweise den Finanzbedarf in der Zukunft noch reduziert. Die Umsetzung dieser Kostenentlastung führt zu einer Gleichstellung mit den 15 von der DFS kontrollierten Verkehrsflughäfen, die die Kosten für die Flugsicherung nicht selbst zu tragen haben. Der Finanzierungsplan muss beihilferechtlichen Anforderungen der EU-Kommission genügen.
«In gemeinsamen Gesprächen mit Fachanwälten und der Kommission haben wir die wesentlichen Eckpunkte der Finanzierung besprochen und können daher davon ausgehen, dass wir deren Zustimmung zu diesem Gesamtpaket auch erreichen können», so Wehr. Im Finanzplan ist der Insolvenzplan des Unternehmens berücksichtigt, der wiederum unter anderem unter dem Vorbehalt der Zustimmung der EU-Kommission zum Gesamtkonzept stehen wird. «Wir haben in den letzten Monaten sehr konstruktiv und konzentriert an der Sanierung des Unternehmens gearbeitet. Ich bin überzeugt, dass wir mit allen Massnahmen das Unternehmen wieder auf eine solide Basis stellen können», sagt Alexander Hubl von der Kanzlei SGP Schneider Geiwitz & Partner, der als Sachwalter das Insolvenzverfahren begleitet und überwacht.
Grosse wirtschaftliche Bedeutung für die Region
Das zuständige Insolvenzgericht Ravensburg hat das Insolvenzverfahren am 1. Juni 2021 in Eigenverwaltung eröffnet und für Ende Juli die Gläubigerversammlung terminiert. Formal beendet wird das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung nach Zustimmung der Gläubigerversammlung zum Insolvenzplan sowie der EU-Kommission zum Finanzierungsplan. Dies ist spätestens Ende des Jahres zu erwarten.
Der Flughafen ist wichtig für die international agierenden Unternehmen der Region, die Messe Friedrichshafen und die Bürgerinnen und Bürger. Er leistet in der Region jährlich eine Bruttowertschöpfung in einem hohen zweistelligen Millionenbetrag. Dem steht ein Finanzbedarf von jährlich 8,8 Mio. EUR gegenüber. Danach reduziert sich dieser für notwendige Investitionen auf durchschnittlich 3 Mio. EUR jährlich. Durch die Übernahme der Flugsicherungskosten wird sich der Finanzierungsbedarf voraussichtlich noch reduzieren. «Der aktuelle Finanzbedarf des Bodensee-Airports ist hoch, seine wirtschaftliche Bedeutung für die gesamte Region allerdings auch», resümiert Wehr.
Zt