Schwerelos für die Wissenschaft: Auf den Tag genau 40 Jahre nach dem Start von Spacelab 1 mit der Mission STS-9 startete am 28. November 2023 in Bordeaux der 83. Parabelflug der ESA zu einem wissenschaftlichen Flug mit einem Airbus A310. Mit an Bord befanden sich auch zwei Schweizer Experimente – eines der ETH Zürich und eines der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern HSLU. «Cockpit» begleitete das Team des Space Hub der Uni Zürich und der HSLU über mehrere Monate. Autor Philip Bärtschi war mit ihnen auch auf dem Schwerelosigkeitsflug mit dabei.

Die Veränderungen an der Wirbelsäule in der Schwerelosigkeit

Dr. Jaap Swanenburg ist Senior Researcher und Dozent am Institut für Anatomie der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Er misst die Veränderungen an der Wirbelsäule einerseits in vivo über Untersuchungen an den Astronauten selber, die eben erst von einem Weltraumflug zurückgekehrt sind, andererseits an Probanden auf Parabelflügen der ESA. Er fand bei seiner Forschung Erstaunliches heraus, nämlich dass die menschliche Wirbelsäule in der Schwerelosigkeit nicht etwa flexibler wird, wie man annehmen möchte, sondern entgegen der Intuition sich versteift. Und noch erstaunlicher: Sie tut es bereits nach wenigen Sekunden der Schwerelosigkeit. Hier liegt nun der Schlüssel zum Verständnis der Rückenschmerzen von Astronauten nach ihrer Rückkehr. Professor Dr. Marcel Egli wiederum leitet das Institut für Medizintechnik der Hochschule Luzern. Er widmet sich seit vielen Monaten den zellulären Untersuchungen an den Kuhschwanzbandscheiben und hat festgestellt, dass ihre Reaktion auf unterschiedliche Schwerkraft in Stufen erfolgt und nicht linear.

Manuelles Fliegen, ohne fly-by-wire, ohne Autopilot

Der für die Parabelflüge verwendete Airbus A310 stand bis 2014 als Staatsluftfahrzeug für Bundeskanzlerin Merkel im Dienst der Bundesrepublik Deutschland im Einsatz. Die Modifikationen für die ESA lassen dies heute nicht mehr erkennen. Und auch im Cockpit läuft einiges anders ab. Gesteuert wird das Flugzeug während der Parabeln von drei Piloten gleichzeitig, und zwar völlig manuell. Kein fly-by-wire, kein Autopilot! Das linke Steuerhorn verfügt über eine Zusatzvorrichtung, welche Querruder-Inputs verunmöglicht und nur Höhenruderausschläge zulässt. Das rechte Steuerhorn ist mit zwei Schlaufen versehen, über welche der Pilot nur die Querneigung steuert und keinerlei Einfluss auf das Höhenruder nehmen kann. Der dritte Pilot bedient die beiden Schubhebel. Die seitlichen Cockpitfenster werden abgedeckt und die Piloten tragen Baseballmützen, um ihren Blick auf die Instrumente konzentrieren zu können.

«Pull up»

Der Flug führt über den Atlantik vor der Küste der Bretagne. Als sich das Flugzeug über dem offenen Meer befindet, kommt die Ankündigung aus dem Cockpit, sich für die Eingewöhnungsparabel bereitzumachen. Es verbleiben 30 Sekunden bis zum «pull up», also dem Moment, in dem der A310 mit 50° pitch nach oben gezogen wird. Was folgt ist eine rund 20-sekündige Phase, in welcher der Airbus rund 9000 Fuss steigt und die Passagiere 1.8 g Lastvielfaches ausgesetzt werden. Erreicht das Flugzeug einen Steigwinkel von gegen 50°, beginnt die Cockpit-Crew die Flugzeugnase nach unten zu drücken. Über die Lautsprecher ertönt der Hinweis «Injection» – die Schwerelosigkeitsphase tritt ein. Der Airbus befindet sich nun in einer Parabel und steigt kurzzeitig weiter bis auf rund 28 000 ft. Am höchsten Punkt der Parabel beträgt die Geschwindigkeit lediglich noch etwa 120 bis 130 Knoten. Diese Geschwindigkeit liegt damit teilweise unterhalb der Abrissgeschwindigkeit eines A310, was aber nicht von Relevanz ist, da sich das Flugzeug ohnehin nicht mehr im aerodynamischen Flug befindet, sondern im freien Fall.

Dies ist ein Auszug aus der Coverstory des «Cockpit» Nr. 1/2024. Den gesamten, umfangreichen und hochinteressanten Beitrag finden Sie im «Cockpit»-Magazin. Die Videos (© ESA / Novespace) zu diesem Textauszug vermitteln Ihnen

- Einblicke in die eindrückliche Arbeit der Cockpit-Crew 

- Eindrücke der erstaunlichen Anstellwinkel beim Fliegen der Parabel

- Beispiele von Experimenten in der Schwerelosigkeit sowie

- Impressionen, wie der Autor des Beitrags, Philip Bärtschi, die Schwerelosigkeit in der Kabine erlebt hat.


Bestellen Sie noch heute ein Jahresabonnement oder einfach eine einzelne Ausgabe. Wir wünschen Ihnen viel Freude, gute und spannende Unterhaltung bei der Lektüre der neuen «Cockpit»-Ausgabe, neue Erkenntnisse und vertiefte Einblicke in die faszinierende Welt der Luftfahrt.