Es tobte der Zweite Weltkrieg. 220 Bomber der 3. US-Air-Division, 8th US Luftflotte, mit Spitzname «Mighty Eight», ausgerüstet mit Boeing B-17 und Consolitated B-24 und vielen weiteren Jagdflugzeugen wie P-51 Mustang oder P-47 Tunderbolt starteten am frühen Morgen des 16. März 1944 ab diversen Flugplätzen in Grossbritannien. Auch die 1. und 2. US-Air Division war ab Grossbritannien im Einsatz, ebenso die in Italien und Nordafrikat stationierte 9th, 12th und 15th US Luftflotte. Insgesamt waren an diesem Tag über 1800 Flugzeuge der US Army Air Force (USAAF) über Deutschland im Einsatz. Ziel der 3. US-Air-Division mit dem Zugerseebomber war die Bombardierung und Zerstörung der Messerschmitt Flugzeugwerke und des Flugplatzes bei Augsburg.
Eine «Fliegende Festung»
Östlich von Stuttgart, bei Schwäbisch Gmünd, wurden die Bomber von Deutschen Jagdflugzeugen Messerschmitt Mf-109 angegriffen. Der später im Zugersee notgelandete viermotorige US Bomber B-17G «Flying Fortress» J 42-38160 war um 6.30 Uhr in Great Ashfield, östlich von Cambridge gestartet; es war die Mission Nr. 78. Auf diesem Flugplatz war die 385th Bomber Gruppe der 3. US-Air-Division mit den vier Squadrons 548th, 549th, 550th und der 551th mit total 72 B-17 Bomber stationiert.
Die «Fliegende Festung» hatte eine Spannweite von 32 m, eine Länge von 23 m, eine Höhe von 5.85 m und die Tragflügelfläche betrug 142 m2. Insgesamt wurden 12`731 B-17 gebaut, der Stückpreis belief sich auf ca. 250`000 US-Dollar (entspricht heute einem Preis von ca. 3,5 Millionen US-Dollar). Die Besatzung umfasste 10 Mann: Pilot, Co-Pilot, Bombenschütze, Navigator, Engineer, Funker und vier Schützen. Das max. Startgewicht betrug 30 Tonnen. 13 bewegliche Browning Maschinengewehre vom Kaliber 12,77 mm waren zum Selbstschutz eingebaut. Total befanden sich 7485 Patronen an Bord und es konnten bis zu 5800 Kg Bomben mitgeführt werden.
Beim Angriff der Deutschen Jagdflugzeuge wurde die «Lonesome Polecat» an zwei Motoren und am Bug getroffen und schwer beschädigt. Zwei Mitglieder der Bomberbesatzung, der untere Kugelturmschütze S/Sgt Charles W. Page wurde schwer und T/Sgt Carl J. Larsen, Bombenschütze wurde durch Beschuss leicht verletzt.
Flug des US-Army-Air-Force Bombers «Lonesome Polecat» Richtung Schweiz
Der Pilot musste aus dem Bomberverband ausscheren und entschied sich, Richtung Schweiz und dann weiter nach Spanien zu fliegen. Mittels Notabwurf wurden die Bomben und weiteres Material über Deutschland abgeworfen. An der Schweizer Grenze wurde die Maschine von Schweizer Mf-109 Jagdflugzeugen abgefangen die versuchten, die Maschine zum Flugplatz Dübendorf zu lotsen. Der Pilot wollte aber Spanien erreichen. Er flog nun Richtung Südwesten.
Angesichts der hohen und stark verschneiten Berner Alpen entschied der Pilot, 1st Lt. Robert W. (Bob) Meyer, im Raume Brünig/Kanton Obwalden umzudrehen, und so flog er über Urnersee / Vierwaldstättersee, Goldau, Zug, Richtung Baar. Begleitet wurde der Bomber von Schweizer Jagdflugzeugen Morane D-3801, die wie Bienen den Bomber umkreisten. Über Baar gab der Pilot den Absprungbefehl. Die neun Besatzungsmitglieder sprangen zum ersten Mal im Leben mit dem Fallschirm ab. Der Navigator 2nd Lt. Robert A. Williams verletzte sich dabei tödlich: sein Fallschirm öffnete sich nicht rechtzeitig.
Die zwei beim Luftkampf über Deutschland verletzten Besatzungsmitglieder wurden nach der Landung ins Spital/Asyl Baar überführt. Die sechs weiteren Besatzungsmitglieder landeten sicher im Raume Baar.
Vom 3. Obergeschoss des Restaurants Gotthard, neben dem Bahnhof Baar gelegen, schoss ein Baarer mit seinem Karabiner auf die landenden Fallschirmspringer, zum Glück ohne zu treffen. Er war der Meinung, es handle sich um Angehörige der Deutschen Wehrmacht.
Notlandung «Lonesome Polecat» auf dem Zugersee
Der 22 jährige Pilot Robert W. Meyer blieb an Bord und steuerte die Maschine zurück auf den Zugersee, wo er mit viel Geschick notwasserte. Durch diese grossartige Landung auf dem Wasser – und nicht in überbautem Gebiet des Zugerlandes – verhinderte er eine Katastrophe. Er stieg aus dem Cockpit sprang ab dem Flügel ins kalte Wasser. Er wurde durch die Gebrüder Norbert und Werner Henggeler in deren Ruderboot aufgenommen und in der Unteraltstadt Zug, neben dem Wöschhüsli, unterhalb des ehemaligen Restaurant Taube an Land gebracht.
Eine grosse Zuschauerzahl verfolgte das Geschehen. Der Bomber versank kurz vor 13 Uhr.
Die Besatzungsmitglieder wurden zuerst nach Dübendorf gebracht und dann in Hotels in Davos, Wengen und Adelboden interniert. Der tödlich verunglückte 2nd Lt. Robert L. Williams wurde am 20. März1944 bei der Protestantischen Kirche in Baar mit Militärischen Ehren beerdigt, später nach Münsingen / Bern und dann nach dem Krieg auf den Washington Park Cemetry Indianapolis / Indiana überführt.
Bergung des US-Army-Air-Force Bombers «Lonesome Polecat» nach acht Jahren
Im Jahr 1952, nach zwei Monaten intensiver Arbeit, wurde der viermotorige Bomber durch den Tankstellenbetreiber Martin Schaffner aus Suhr (1923 – 1965) aus 45 Metern Tiefe gehoben. Am 25. August 1952 wurde die Maschine beim ehemaligen Kiesplatz mit Hilfe der Firma Risi aus Oberwil an Land gebracht.
In Zug, Cham, Basel, Biel-Bözingen, Lausanne, Bern-Bümpliz, Suhr, ab 1966 in St. Gallen-Winkeln und zuletzt ab 1970 in St. Moritz wurde die «Lonesome Polecat» ausgestellt. Überall kamen viele Besucher, die Fr. 1.10 für Erwachsene und für Kinder 55 Rappen Eintritt bezahlten. Sie erhielten zusätzlich noch eine Broschüre mit Details zum Bomber und zur Hebung.
Schaffner wurde Spezialist für das Heben von Flugzeugen, Schiffen, Autos, usw. aus Seen in der Schweiz und im Ausland und bekam demzufolge den Übernamen «Bomber-Schaffner».
Am letzten Ausstellungsort der «Lonesome Polecat» in St. Moritz-Bad, neben dem Hotel Sonne, wurde der Bomber 1972 verschrottet. Einige wenige Teile des Bombers sind bei privaten Sammlern in der Schweiz (Maschinengewehre, Propeller, usw.) und im Crash Air War & Resistance Museum 40-45, Fort bij Aalsmeer, Aalsmeerderdijk 369, 1436 BM Aalsmeerderbrugg-NL (Motoren- und weitere Teile, Blech mit der Aufschrift «Lonesome Polecat», usw.) noch vorhanden.
Anmerkung des Autors: «Ich habe den Überflug des Bombers 1944 als 5-Jähriger erlebt, hatte Angst dass nun bald Bomben fallen. Radio Beromünster meldete ja immer über Bombardierungen in den Kriegsgebieten, aber auch in der Schweiz. Ich versteckte mich aus diesem Grunde unter einer Aussentreppe unseres Wohnhauses an der Industriestrasse in Zug.1952 habe ich die Hebung des Bombers verfolgt und mehrmals am Kiesplatz in Zug bewundert. Zum letzten Male sah ich die Fliegende Festung 1972 anlässlich Ferien im Engadin in St. Moritz-Bad, kurz darauf wurde die «Lonesome Polecat» leider verschrottet.»
Der Bomber im Zugersee
Am 16. März – also auf den Tag genau 75 Jahre nach der Notwasserung des US Bombers Boeing B-17G im Zugersee – fand die Enthüllung der Gedenktafel beim Wöschhüsli in der Unteraltstadt in Zug statt. Nach einer kurzen Einführung durch Christian Raschle, ehemaliger Stadtarchivar und der Enthüllung der Gedenktafel durch Karl Kobelt, Stadtpräsident, übergab Initiant Oskar Rickenbacher die offizielle Gedenkschrift. Sher Green Larsen, Tochter des über Baar abgesprungenen Bomberschützen Carl J. Larsen aus Austin/Texas, war ebenfalls anwesend. Roger Steiner