«Mit unserer Software können wir die Strömung für verschiedene Situationen im Flugbetrieb sehr genau simulieren und anschliessend analysieren. Für den Entwurf oder die Zulassung spielen zahlreiche Strömungsbedingungen und Flugzeugkonfigurationen eine Rolle. Es ist aber zu aufwendig, sie alle mit den etablierten Verfahren der Strömungsmechanik zu berechnen», sagt Prof. Stefan Görtz vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig. «Hier kommen tiefe künstliche neuronale Netze ins Spiel, die grosse Mengen an unstrukturierten Daten verarbeiten. Diese Methoden des maschinellen Lernens haben wir speziell für den Einsatz in der Aerodynamik angepasst. Sie ermöglichen es uns, schnell viele Vorhersagen zu machen.» Das Besondere ist, dass diese annähernd die gleiche Güte haben wie die Aussagen, die mit klassischen Verfahren erstellt wurden. Auch komplexe Strömungsphänomene wie Verdichtungsstösse oder Ablösegebiete können die Forschenden mittlerweile gut vorhersagen.

Genauere Simulation ermöglicht einfachere Bewertung künftiger Flugzeuge

Verdichtungsstösse entstehen unter anderem, wenn ein Flugzeug zwar langsamer als mit Schallgeschwindigkeit fliegt, die Luftströmung um die Tragflächen aber trotzdem stellenweise Überschallgeschwindigkeit erreicht. Dort ändert sich der Strömungszustand schlagartig. Verdichtungsstösse erzeugen ausserdem einen höheren Luftwiderstand und die Luftströmung kann der Flügeloberfläche in bestimmten Situationen nicht mehr folgen – sie löst ab. «Die genaue Simulation dieser Strömungsphänomene ist wichtig, um die aerodynamischen Eigenschaften und damit die Effizienz künftiger Flugzeuge und Triebwerke belastbar beurteilen zu können», sagt Stefan Görtz.
Die Forschenden verwenden Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) auch, um Turbulenzmodelle voranzubringen. Eine turbulente Strömung zeichnet sich durch unregelmässige Geschwindigkeits- und Druckschwankungen aus. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Simulations- und Messdaten aus dem DLR kombiniert, um bestehende Modelle mit Hilfe von KI zu verbessern. Chaotische, wirbelnde Bewegungen von Luft können jetzt besser vorhergesagt und verstanden werden. «Neu ist dabei, dass auch dann fundierte Aussagen möglich sind, wenn nicht alle winzigen Details in der Simulation kostspielig berechnet werden», sagt Stefan Görtz.

Numerische Simulation: Wie strömt die Luft um die Tragflächen?

Im Projekt SMARTfly (Smart Modeling of Flying Transport Vehicles), das kürzlich abgeschlossen wurde, hat das Team unter der Leitung von Dr. Philipp Bekemeyer und Prof. Stefan Görtz auch die seit Jahrzehnten bewährte numerische Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics, CFD) an sich verbessert. Die CFD-Berechnungen laufen auf den beiden DLR-Supercomputern CARA und CARO in Dresden und Göttingen. Die numerische Simulation legt ein virtuelles Gitternetz um das Objekt. Die Computer berechnen dann die Strömungsgleichungen für einzelne Zellen im Gitternetz. Je kleiner die Zellen sind, umso genauer die Ergebnisse – und desto höher der Rechenaufwand. 

Software für verschiedene Transportmittel 

Die jetzt verwendete CFD-Software von ONERA, DLR und Airbus (CODA) wurde speziell für die effiziente Ausnutzung heutiger und zukünftiger Rechnerhardware konzipiert und im Projekt weiterentwickelt. «Wir können mit CODA nun Strömungen in verschiedensten Geschwindigkeitsbereichen simulieren und sowohl das Strömungsverhalten bei Hubschraubern im Schwebeflug als auch Passagierflugzeugen im Reiseflug berechnen. Beides in einer Software zu können ist in dieser Form neu.» Die Software eignet sich auch für die Simulation von Windkraftanlagen, Autos, Zügen und Schiffen bis hin zu Raumfahrzeugen sowie für das Tankschwappen in Wasserstofftanks.

Perspektivisch tragen die Ergebnisse im Projekt SMARTfly dazu bei, die virtuelle Zulassung von neuen Flugzeugtypen voranzutreiben. Die Forschenden können früh im Entwicklungsprozess erste Aussagen treffen, welche Auswirkungen Veränderungen auf den Treibstoffverbrauch haben oder wie sich bestimmte Konfigurationen im Flug verhalten.