SAM2021 bildet den Auftakt der grössten Netzwerk-Veranstaltungen im Schweizer Aerospace Umfeld, welche bis 2024 mit sieben weiteren Events (unter anderem am Flughafen Payerne und in den OLMA Messen St. Gallen) die Brücke zwischen Forschung und Industrie schlagen und auch einem internationalen Fachpublikum zugänglich machen. Am diesjährigen und inzwischen ausverkauften Symposium in Luzern werden auch Firmen wie Safran, Lockheed Martin, Hensoldt und Volocopter begrüsst.
Organisiert werden die Veranstaltungen vom Swiss Aerospace Cluster SAC und dem Center for Aviation Competence CFAC der Uni St.Gallen
Herr Puls, am 20. September findet zum zweiten Mal das «Symposium Air Mobility» statt. Im Rahmen der ersten Ausgabe im vergangenen Jahr standen Drohnen und UAS im Zentrum. In diesem Jahr sind weitere Bereiche dazu gekommen. Welche sind dies und welche Überlegungen haben bei der Wahl eine Rolle gespielt?
Dr. René Puls: SAM steht grundsätzlich für Technologien und Innovation in urbanen und nationalen Mobilitätsanwendungen (primärer Fokus ist dabei immer die Luftfahrt) sowie neuer Raumfahrtkonzepte. Die Grenzen sind dabei schon lange nicht mehr trennscharf. Ein wenig vergleichbar mit der Telekommunikation: Wo früher noch nach Festnetz, Mobil und Internet differenziert wurde, ist heute mit einer All-IP Strategie alles verknüpft und die Technologien bedienen einander. So ist es auch mit dem Thema Urban Air Mobility und Space, die Schwerpunktthemen des SAM2021. Die Technologien und Anwendungsgebiete bauen aufeinander auf und die Firmen diversifizieren sich in verschiedene Richtung und umgekehrt setzen auf Technologien, die dem Trend folgen: «from space to earth». Am diesjährigen Symposium wollen wir vor allem auf diesen Trend hinweisen und mit gezielten Vorträgen einen Impuls setzen.
SAM wird als «grösste Bühne für Luft- und Raumfahrt-Innovatoren» bezeichnet. Welche Ziele werden mit dem B2B-Anlass verfolgt?
Das Symposium hat etwa zwei Drittel seiner Besucher und Aussteller aus dem Kreis des Swiss Aerospace Clusters, dem grössten Aerospace Netzwerk der Schweiz. Dort steht vor allem das Networking an erster Stelle, etwas was in den letzten 18 Monaten nur bedingt möglich war. Somit ist das SAM vor allem ein Treffen unserer KMUs, welche das Rückgrat der Vereinigung bilden. Inzwischen haben auch die grösseren Unternehmen und Weltkonzerne den Wert von verlässlichen Supply Chains schätzen gelernt und nehmen am Symposium auch mit Blick auf potentielle Partnerschaften teil bzw. sind auch deswegen dem Cluster beigetreten. Darüber hinaus möchten wir KMU und Hochschuleinrichtungen mit diesem Event eben genau diese «Bühne» bieten und eine Brücke in das B2B Geschäft schlagen. Denn das Innovationspotential im Bereich Engineering, Leichtbau, Composite, Steuerungstechnik ist bei den kleineren Organisationen und an den Hochschulen gewaltig.
Wer ist mit SAM angesprochen?
Wir richten uns vor allem an die Technologie-affinen Player, welche abseits der etablierten Lieferketten aufgrund von Preis- oder Mengenanforderungen sich auf kleine bis mittelgrossen Projekte fokussieren. Wir sind keine Supply Chain Messe in der globalen Zivilluftfahrt und keine Weltkonferenz für die Aviatikindustrie, sondern eine Innovations- und Technologieplattform in der Schweiz. Allerdings fühlen sich auch die Weltmarktführer wie AIRBUS, Lockheed Martin, aber auch Boeing, Leonardo, Safran und RUAG vom Symposium in Luzern angesprochen, da es eben um die Technologien der Zukunft und Innovationen im Aerospace Markt geht. Wie schon angesprochen, haben wir einen grossen Anteil Aussteller und Teilnehmer aus unseren eigenen Reihen des Clusters, welches wiederum die gesamte Wertschöpfungskette in der Luft- und Raumfahrt widerspiegelt, wenn auch in kleineren Dimensionen.
Was dürfen die Besucher erwarten?
Die mit Abstand umfangreichste Ausstellung im Schweizer Aerospace Markt. Wir haben über 50 Aussteller, welche auf 4 Stockwerken ihre Produkte und Projekte in der Luft- & Raumfahrt vorstellen, alles von einer Vision bis hin zu konkreten Drohnen, Raketenantrieben, aber auch Prototypen, Forschungsprogramme und Dienstleistungen, um die Industrie voranzubringen und den Standortvorteil Schweiz zu promoten. Das SAM2021 bietet neben der Ausstellung auch wieder eine hochkarätige Konferenz mit 20 Speakern aus dem Aerospace Umfeld. Neben Airbus und RUAG werden auch Volocopter, der Space Hub der Uni Zürich, aber auch Schweizer Start-ups wie Dufour Aerospace oder Destinus ihre aktuellen Projekte vorstellen. Vor allem das Networking wurde stark ausgebaut: Wir haben im Ganztagesprogramm Wert darauf gelegt, dass der Austausch mitten in den Ausstellungsflächen passieren kann und auch das Catering Konzept entsprechend angepasst, damit die B2B Gespräche auch kulinarisch unterstützt werden können. Dank 3G Konzept ist dies zum Glück wieder möglich.
Welche Bedeutung haben Anlässe dieser Art für den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz?
Das SAM wie auch die anderen Events der neu initiierten Aerospace Innovation Days haben vor allem zum Ziel, Forschung und Industrie zusammen zu bringen. Wir werden explizit und gezielt von der Innosuisse im Rahmen des TFV Fonds bis 2024 unterstützt, mit der Erwartung, die Innovationen aus den «Labors» auf den Markt zu bringen und der Schweiz einen Standort- und Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Diese «Time to Market» ist ein wichtiger Faktor in einem globalisierten Marktumfeld. Unsere Veranstaltungen können helfen, diese Plattform zu schaffen und die Verbindungen im Netzwerk zu fördern. Auch in Zeiten von Internet und Google sind viele Innovationen genau auf dieses Networking angewiesen.
Welche Bedeutung hat der Wissenstransfer zwischen diesen Bereichen?
Wissenschaft und Wissenstransfer bringen uns als Gesellschaft weiter und ermöglichen auch, wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben. In der Schweiz können wir aufgrund der Grösse nur in seltenen Fällen als Werkbank für Massenprodukte wirken und sind auf Nischen, hoch spezialisierte Fertigungsfähigkeiten, sowie innovative Produkte angewiesen. Auch der Forschungsstandort spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wenn jedoch dieser Transfer zu langsam, zu spät oder gar nicht erfolgt, führt dies unwillkürlich zu Verlagerungseffekten, auch auf Seiten der Wissenschaft. Und das können wir uns auf keinen Fall erlauben. Daher müssen Forschung und Industrie diese Nähe und das Netzwerk pflegen, um die Gegenseitigkeit aufrecht zu erhalten und damit am Markt zu bleiben.
SAM richten den Fokus u.a. auch auf die Sozialwissenschaften, um Anwendungsbereiche und deren Umsetzung mit Managementunterstützung zu fördern. Was heisst das konkret?
Wir dürfen nicht vergessen, dass neue Technologien, Produkte und Dienstleistungen einen Markt brauchen, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Vor allem Start-ups und Spin-offs müssen die Lernkurve durchlaufen und erleben vor allem in den ersten Jahren grosse Ernüchterungen bis hin zu Fehlentscheidungen, welche nicht selten das Aus bedeuten…und das, obwohl die Innovation selbst überlebensfähig wäre, hätte es ausreichend Management Know-how und finanzielle Mittel. Daher wollen wir am SAM auch eine Plattform sein für solche, welche den frühen Innovatoren und Gründern rechtzeitig unter die Arme greifen und ggfs. auch am Kapitalmarkt unterstützen können. Am SAM2021 ist das noch nicht ein grosser Fokus, wir haben aber bereits Anmeldungen von Organisationen, welche sich am Markt umsehen und umgekehrt auch Firmen, welche aktuell bewusst nach dieser Unterstützung suchen.
SAM21 wird organisiert vom Swiss Aerospace Cluster. Dieser feiert in diesem Jahr gleichzeitig sein 10-Jahre-Jubiläum. Ist diesbezüglich etwas Spezielles geplant?
Ja, das SAC wie wir es nennen, wurde schon letztes Jahr 10-jährig. Wir konnten dies jedoch COVID bedingt nicht feiern und haben beschlossen, mit dem ersten grösseren Anlass das entsprechend nachzuholen. Allerdings wollen wir mit Rücksicht auf eine Branche, welche in einigen Fällen stark betroffen war und ist, auch nicht im Überfluss feiern…das können und wollen wir uns als KMU Organisation nicht leisten. Daher wird lediglich der Fairwell Apéro für die Besucher des SAM ein bisschen grösser ausfallen sein und wir laden alle Aussteller am späteren Abend noch auf die Terrasse im KKL zu einem Glas Wein oder Bier ein. Darüber hinaus arbeiten wir an einem Jubiläumsvideo, welches mit anderen Partnern den Aerospace Standort Schweiz hervorheben soll und für kommende Events einen besonderen visuellen Auftakt bietet. Dazu brauchen wir aber noch ein paar Monate.
10 Jahre Swiss Aerospace Cluster: Welches sind die grössten Meilensteine?
Wir haben es geschafft, zum grössten Netzwerk der Schweizer Luft- und Raumfahrtindustrie heranzuwachsen. Gerade in den ersten Jahren war dieses Wachstum noch nicht erkennbar und auch die Mitgliederzahlen sind überschaubar geblieben. Allerdings haben diese Netzwerke erst ab 100 Mitgliedern eine wirkliche Chance, Fahrt aufzunehmen und Mehrwert in der Gemeinschaft zu generieren. Somit waren 100 Mitglieder vor ca. 3 Jahren eine wichtige Grösse, welche auch bewiesen hat, dass das Netzwerk funktioniert, denn heute sind wir fast 170 Mitglieder aus allen Sektoren im Aerospace Umfeld. Kürzliche Meilensteine waren der erste Schweizer Helitag, welcher nun als ROTORS SWITZERLAND am Flughafen Payerne fortgeführt und ausgebaut wird, sowie die Gründung der Fachgruppen «Drohnen & Unbemannte Systeme» am SAM2020, ebenfalls eine Premiere in unserem Cluster. Mit der Gründung der Aerospace Innovation Days Eventserie liegen hoffentlich weitere Meilensteine in greifbarer Nähe: 200 Mitglieder ist das strategische Ziel des Vorstands. Das scheint mir aufgrund des gebotenen Mehrwerts und des starken Community Spirits im Cluster schon in absehbarer Zeit möglich.
Weshalb ist das SAC wichtig für die Schweiz?
Das Swiss Aerospace Cluster bietet abseits der grossen und starken Industrieverbände und Messeveranstaltungen eine Möglichkeit, vor allem für die KMU geprägte Luft- & Raumfahrt Community, gemeinsam am Markt präsent zu sein und Impulse zu setzen. Wir haben vor einigen Jahren den Slogan eingeführt: bettertogether. Genau dieser Spirit hat uns zum Wachstum und heutigen Erfolg verholfen. Das inzwischen vorhandene Netzwerk ist weit über die Grenzen der Schweiz hinaus gewachsen und wir können Kontakte zu vielen Partner Clustern global herstellen, werden aber inzwischen von diversen Standorten in Europa und Übersee angesprochen, ob wir für internationale Kooperationen vermitteln können. So werden in 2022 gleich zwei Handelreisen nach USA und Europa mit Delegation unserer Mitglieder wie auch Unterstützung durch das EDA und die Swiss Business Hubs umgesetzt, um neue Märkte zu erschliessen. Auch Malaysien, Südkorea und Indien sind Märkte, welche wir uns für die Zukunft ansehen und bereits die notwendigen Kontakte hergestellt haben. Ich persönlich denke, dass Afrika schon sehr bald ein wichtiger Markt sein wird.
Richten wir den Fokus wieder auf den Event. SAM2021 bildet den Auftakt der grössten Netzwerk-Veranstaltungen im Schweizer Aerospace Umfeld, welche bis 2024 mit sieben weiteren Events die Brücke zwischen Forschung und Industrie schlagen wird. Welche weiteren Veranstaltungsformate mit einem Konferenz- & Ausstellungs-Setup gehören dazu?
Die Aerospace Innovation Days bestehen aus 3 Veranstaltungsarten mit insgesamt 8 Events bis 2024. Neben dem Symposium Air Mobility und der erwähnten ROTORS SWITZERLAND wird zusammen mit dem Aviatikzentrum der Universität St. Gallen auch das Aviation und Space Symposium durchgeführt. Alle Events haben ihre eigenen Schwerpunkte, werden aber immer zusammen mit einer Ausstellung und einem Konferenzteil umgesetzt, an welchen Innovationen im Mittelpunkt stehen werden. Um in der Schweiz nicht zu viele Netzwerkveranstaltungen im Aerospace Umfeld durchzuführen, sind die Events versetzt geplant. Mit COVID mussten wir allerdings die Sequenz in 2021 schon ändern, so dass wir 2022 tatsächlich alle 3 Veranstaltungsarten durchführen, aber mit ausreichend Zeitraum dazwischen. Hierauf freuen wir uns schon sehr und auch die Community will zurück in die Hallen und Konferenzzentren, um sich gezielt auszutauschen und auf den neuesten Stand zu bringen.
Der Event vom 20. September ist bereits ausgebucht. Ab wann kann man sich für die nächsten Anlässe anmelden?
Wir sind tatsächlich ausgebucht mit dem SAM2021 im KKL Luzern, haben aber aufgrund der grossen Nachfrage noch Abklärungen, welche Kapazitäten zusätzlich geschaffen werden können. Somit sind Anmeldungen weiterhin möglich, allerdings nur noch für Teilnehmer. Die Ausstellung hat tatsächlich keine weitere Kapazitäten mehr. Für die nächsten Anlässe, wie z.B. die ROTORS SWITZERLAND am 8. Februar in Payerne, kann man sich bereits anmelden. Die zentrale Website der Aerospace Innovation Days ist der Ausgangspunkt für alle Veranstaltungen. Da wir selbst keine Profis im Eventmanagement sind, aber dennoch viele Themen in die eigenen Hände nehmen müssen, gibt es auch hier regelmässig Anpassungen. Das gehört eben auch zu einem KMU Cluster. Ebenso, dass der Geschäftsführer eine Website mit gestaltet und in vielen Bereichen selbst anpackt.. Erst gestern habe ich in meinem Büro wieder 250 Quadratmeter Teppich zwischengelagert, den wir am SAM mit Helfern selbst verlegen und auch bei den kommenden Veranstaltungen wird das so bleiben…bettertogether eben!
Abschliessend noch vier Stichworte und Ihre Bemerkungen dazu:
a.Urbane Luftmobilität: Bedeutung für die Zukunft?
Im Bereich Transportlogistik, Inspektionen, Wartung, sowie Such- & Rettungseinsätze, werden wir schon zeitnah erfolgreiche Konzepte sehen. Für den Personentransport im Bereich Air Taxis sehe ich aktuell noch grössere Hürden und – ganz persönlich – auch wenige Business Cases, die echten Mehrwert generieren.
b. Raumfahrt des nächsten Jahrzehnts?
Das sind die grossen Wachstumsmärkte, da wir tatsächlich von den geschaffenen Anwendungen profitieren. Auch wenn vielleicht Raumfahrt Missionen zu Mond und Mars primär keinen Mehrwert generieren, wird das wohl absehbar zu einem umsatzstarken Gebiet für viele Unternehmen werden. Eine Space Renaissance der 60er bis 80er Jahre, mit dem Unterschied, dass diesmal nicht nur die Amerikaner und Russen mitmachen. Für meine und die Generation meiner Tochter wird das richtig spannend.
c. Industrie 4.0
Die Digitalisierung ist wichtig und richtig. Aus Sicht eines KMU ist man aber viel weiter und anpassungsfähiger als die meisten denken. So gross ist der Nachholbedarf dann auch nicht; vor allem der Hype AI wird meiner Meinung nach überschätzt.
d. Nutzung des Luftverkehrs durch die Allgemeinheit ab 2030?
Ich sehe bis 2030 grundsätzlich keine Änderung, mit Ausnahme eines langfristig tieferen Geschäftsreisevolumens. Auch ab 2030 wird man vor allem und weiterhin in Linienflugzeugen den Luftraum nutzen, dann wohl auch schon erste Konzepte mit Elektroantrieb für Kurzstrecken und ausgebauter Infrastruktur für synthetisches Kerosin für die Langstrecke. Das Kabinenprodukt wird wohl analog dem heutigen Standard sein. Die derzeitigen Helikopterklassen werden wir auch ab 2030 am Himmel sehen, einige davon mit Hybridantrieb. Individuelle Mobilitätskonzepte mit VTOL oder Multikoptern aus dem Bereich der Advanced Air Mobility sind auch dann noch Nischenprodukte, in einem bis dahin stark konsolidierten Markt mit wenigen Anbietern. Gegebenenfalls werden wir auch geographisch grosse Unterschiede zwischen Asien, Europa, Afrika sowie Nord- und Südamerika vorfinden. In Europa werden wir wohl die geringste Durchdringungsquote sehen. Aber wie gesagt: die Produkte und Dienstleistungen im Bereich Logistik, Inspektion, sowie Search & Rescue werden sich durchsetzen und machen auch absolut Sinn.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Puls.