Als William E. Boeing am 28. September 1956 im Alter von 74 Jahren starb, hinterliess er ein sehr erfolgreiches Unternehmen, das noch heute seinen Namen trägt. Er konnte noch die Früchte seiner ausserordentlichen Bemühungen erleben, als am 15.Mai 1954 die erste Boeing 707, genannt «Dash Eighty», die Werkshalle in Renton verliess. Als Ehrengast sah er zu, wie seine Frau die Maschine taufte, die für Amerika das Düsenzeitalter einleitete.
Sohn einer deutschen Auswandererfamilie
William E. Boeing erblickte am 1. Oktober 1881 in Detroit als Sohn eines aus Hohenlimburg (Sauerland, Deutschland), eingewanderten Holz Kaufmans das Licht der Welt. Er erhielt seine Schulausbildung in den USA und in einem Internat in der Schweiz. Im Jahr 1900 kehrte er in die USA zurück, änderte seinen Namen von Wilhelm Eduard Böing in William Edward Boeing und nahm ein Studium an der Universität Yale auf. Bereits 1903 beendete er seine Studien ohne Abschluss, um zunächst in den Holzverarbeitungsbetrieb seines Vaters einzutreten. Hier erwarb er Kenntnisse über Holzstrukturen, die ihm später im Flugzeugbau sehr nützlich waren.
Als Chef der Greenwood Logging Company, die mit Bootsentwürfen experimentierte, reiste er nach Seattle, wo er bei der Alaska-Yukon-Pacific-Messe von 1909 zum ersten Mal in seinem Leben ein bemanntes Flugzeug sah. Von nun an liess ihn die Faszination Fliegen und Flugzeuge nicht mehr los.
Beginn des Flugzeugbaus
1915 begann Boeing in Seattle zusammen mit seinem Kollegen George Conrad Westervelt die Arbeit an einem ersten Flugzeug, dem B & W Seaplane, einem Wasserflugzeug aus Holz, Leinen und Draht. Als Westervelt die Mitarbeit an dem Projekt aufgab, stellte Boeing die ersten beiden B & Ws ohne seine Hilfe fertig. Den Erstflug mit der ersten Bluebill genannten Maschine führte William Boeing selbst am 15. Juni 1916 durch. Im Juli 1916 gründete er die Pacific Aero Products Company, die er 1917 in Boeing Airplane Company umbenannte.
Nachdem die USA 1917 in den Ersten Weltkrieg eingetreten waren, vergab eine Navy-Kommission in Florida einen Auftrag über die Lieferung von 50 Flugzeugen zu Trainingszwecken. Diesen erhielt Boeing; er konnte sein Unternehmen daraufhin merklich erweitern. Nach Kriegsende verringerte sich durch das Überangebot gebrauchter ehemaliger Militärmaschinen die Nachfrage nach neuen Flugzeugen beträchtlich; William Boeing musste das Unternehmen wieder verkleinern und konzentrierte sich auf Passagier-, Fracht- und Postflüge.
Während der Zeit der amerikanischen Prohibition widmete er sich unter anderem dem Bau von Schnellbooten, die mit Flugzeugmotoren ausgestattet waren und wohl zum Alkoholschmuggel zwischen Kanada und den USA eingesetzt wurden. Am 3. März 1919 transportierte William E. Boeing zusammen mit seinem Partner Conrad Westervelt die erste Luftpost zwischen den USA und Kanada. Er erhielt mit seinem Flugzeug Boeing Model 40A eine staatliche Konzession für Postflüge auf der Columbia-Route von San Francisco nach Chicago.
Gründung eigener Fluglinien
1927 gründete Boeing seine eigene Fluglinie, Boeing Air Transport, für die er weitere Regional-Airlines und Postfluglinien aufkaufte. 1928 vereinigte er die Fluglinien und die Sparte der Flugzeugherstellung in der Boeing Airplane and Transport Corporation. 1929 gründete Boeing nach der Fusion mit dem Triebwerkhersteller Pratt & Whitney und anderen Flugzeugherstellern schliesslich die United Aircraft and Transport Corporation. 1931 vereinigten sich zudem Boeing Air Transport und die aufgekauften Fluggesellschaften zu United Air Lines, unter deren Namen Passagier- und Postflüge angeboten wurden.
Rücktritt nach Luftpost-Skandal
1934 musste Boeing die United Aircraft and Transport Corporation wegen des Vorwurfs der Monopolbildung – im sogenannten Luftpost-Skandal, aufteilen. Daraus entstanden die Firmen Boeing Airplane Company, United Aircraft Company (seit 1975 United Technologies Corporation) und United Air Lines. Boeing sah seine Reputation als ehrbarer Kaufmann durch das Anklageverfahren beschädigt, zog sich daraufhin verbittert vom Flugzeugbau zurück und widmete sich bis 1954 wieder dem Holzgeschäft, wenngleich er während des Zweiten Weltkriegs als Berater in sein altes Unternehmen zurückkehrte und bis zu seinem Tod bei bedeutsamen offiziellen Anlässen teilnahm. Daneben wandte er sich ab 1937 auch der Pferdezucht und Immobiliengeschäften zu. Am 28. September 1956 verstarb er bei einer Fahrt in der Meeresbucht Puget Sound, WA, an Bord seines 1931 gebauten Schiffes Taconite an einem Herzinfarkt.
Boeings bedeutendste Konstruktionen vor und während des 2. Weltkrieges
Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg expandierte die Boeing Company rasch, sie baute vorerst Übungsflugzeuge für die US-Marine, dann das Wasserflugzeug Boeing C-700, das den erste Luftpostsack zwischen Vancouver und Seattle beförderte. Es folgte das Modell 40-A, das so ausgelegt war, neben dem Piloten zwei Personen und 544 kg Post zu befördern. 1928 war Boeing bereits einer der grössten Flugzeughersteller Amerikas mit 800 Beschäftigten. Dann begann 1930 die Zeit der Ganzmetall-Tiefdecker, 1933 entstand die Boeing 247 als das erste zweimotorige Ganzmetall-Verkehrsflugzeug für zehn Passagiere.
Ein Erfolg war das Schulungsflugzeug Kadett, 10’346 Maschinen davon verliessen die Montagehallen. Als die US Luftwaffe 1934 Projekte für mehrmotorige Bomber ausschrieb, stellte Boeing den Typ 299 mit vier Triebwerken vor, der den Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg revolutionieren sollte. Die Luftwaffe war begeistert, die Boeing 299 erhielt die militärische Bezeichnung B-17. Die «Fliegende Festung» war das erste amerikanische Flugzeug, das eine Reichweite von über 4844 km aufwies und mit einer grossen Nutzlast (8 Mann Besatzung, 2177 kg Bombenlast plus 5 Bordkanonen) mit intensiven Flächenbombardierungen über Deutschland enorme Schäden verursachte. Bis Kriegsende verliessen 12’731 B-17 die Flugzeugwerke. 1942 wurde die B-29 «Superfortress» fertiggestellt, die amerikanische Luftwaffe erhielt 3970 Exemplare. Mit einer Reisegeschwindigkeit von 592 km/h war dieser 60-Tonnen-Bomber für die japanischen Jäger fast unerreichbar. Aus ihr warfen die Amerikaner die ersten Atombomben über Japan ab.
B-47, B-52 und B-1 Bomber – F-15 und F/A-18 Kampfflugzeuge
Nach dem 2. Weltkrieg entwarf Boeing den ersten sechsstrahligen Atombomber mit Pfeilflügeln, die berühmte B-47. Der Bomber war einer der Höhepunkte Internationalen Flugmeetings von 1956 in Dübendorf. Da die Piste in Dübendorf zu kurz war, stand die Maschine in Zürich-Kloten, wo sie von zahlreichen Schaulustigen besichtigt wurde.
Es folgten die Baureihen der Langstrecken-Bomber B-52 Stratofortress und B-1 Lancer (entwickelt durch Rockwell). Für zahlreiche Luftwaffen werden heute die bewährten Kampfjets F-15 und F/A-18 in weiterentwickelten Versionen hergestellt.
Einstieg ins Düsenzeitalter für die Zivilluftfahrt
Als erstes kommerzielles Nachkriegsflugzeug wurde der 72 Tonnen Boeing 377 «Stratocruiser» entwickelt, er beförderte 75 Passagiere und hatte im unteren Deck eine Bar. 1952 gab Boeing bekannte, 16 Millionen Dollar in die Entwicklung eines Düsenverkehrsflugzeugs zu investieren. Der Prototyp der Boeing 707, die «Dash Eighty», verliess im Mai 1954 das Werk Renton und absolvierte seinen ersten Flug am 15. Juli, dem 38. Jahrestag der Gründung der Boeing-Werke. 1955 erteilen die Pan American World Airways den ersten Auftrag und stellten am 26. Oktober die erste Boeing 707 in Dienstag. Dann folgte die für Kurz- und Mittelstrecken konzipierte dreistrahlige Boeing 727, dann die zweistrahlige B-737, die noch heute fliegt.
Unvergesslich wird der B-747 Jumbo Jet für unzählige Passagiere im Gedächtnis bleiben. Heute fliegt das erfolgreiche Modell Boeing 787 «Dreamliner» für zahlreiche Airlines; weniger Glück bescherte dem Konzern die Baureihe Boeing 737 Max. Das Grounding der gesamten Flotte 737 Max-Flotte und der Corona-Krise, stürzte Boeing in die Krise.
Gedenktafel am Elternhaus in Hohenlimburg
Heute lässt sich der Stammbaum der Familie Böing nicht mehr im Detail zurückverfolgen. Denn kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zerstörten ausgerechnet Boeing B-17 Bomber das kleine Städtchen und damit auch das Geburtsregister der Gemeinde. Übel haben es die deutschen Böings der amerikanischen Verwandtschaft nicht genommen, auch die Hohenlimburger Stadtväter waren nicht nachtragend. Sie benannten eine Strasse nach William Boeing und übernahmen dabei die amerikanische Schreibweise. Am Geburtshaus von Wilhelm Böing erinnert eine Gedenktafel an den Auswanderer und seinen berühmten Sohn William Boeing, der nur einmal sein Elternhaus besuchte und im Gespräch mit den Einheimischen nur englisch sprach.