Was sich zunehmend herauskristallisiert, sind VTOL’s mit starren Tragflächen, dies entgegen der reinen Kopter wie Ehang oder auch Volocopter, die beide inzwischen aber ihre neuen Muster mit Starrflügeln vorstellten. Auch wenn City-Airports, wie etwa in London oder andere Grossraum-Metropolen längstens Hubschrauber-Dienste offerieren, welche Reisende, die es eilig haben, schnellstens ohne Stau zu Flughäfen transportieren, hoffen die VTOL-Start-ups auf zügige Integration in den öffentlichen Luftverkehr.
Auch die Vorläufer des VA-X4 von Vertical Aerospace waren Quadrokopter. Von denen hat sich Firmengründer Stephen Fitzpatrick aber längst distanziert. VA-X4 soll noch in diesem Jahr seinen Erstflug haben und das eigentliche Flugtestprogramm soll dann über zwei Jahre bis zur Zertifizierung im Jahr 2024 laufen. Der 5-Sitzer soll wie auch ähnliche andere Konzepte selbstverständlich skalierbar sein.
Schon 300 Festbestellungen
Vertical Aerospace erhielt von der irischen Leasinggesellschaft Avolon eine Festbestellung von 310 eVTOL-Air Taxis des Typs VA-X4. Weiter hat Avolon Optionen für bis zu 190 Einheiten angemeldet. Bei Vorbestellungen geben sich Fluggesellschaften in der Regel zurückhaltend. Anders jetzt American Airlines, die selber in das britische Start-up Vertical Aerospace investierten und versprachen, gleich 250 Einheiten von dem Senkrechtstarter VA-X4 abzunehmen, mit einer Option auf 100 weitere. Ebenfalls zu den Bestellern des VA-X4 gehört Virgin Atlantic mit 150 Stück. Mit den vorgängig erwähnten, von Avolon bestellten 310 dieses Flugtaxis beträgt der Gesamtwert der Vorbestellungen laut Vertical Aerospace insgesamt um die 4 Milliarden US-Dollar.
Woher kommt das Geld?
Vertical Aerospace teilte mit, im Rahmen einer Fusion einen Eigenkapitalwert von zirka 1,84 Milliarden Dollar zu erwarten und Bruttoerlöse in Höhe von 394 Millionen US-Dollar erhalten zu können. Mit den finanziellen Mitteln sollen Entwicklung, Fertigung und Zertifizierung des elektrischen Senkrechtstarters VA-X4 forciert werden. Sofern sie denn dafür überhaupt ausreichen sollten. Feste Bestellungen mit Anzahlungen werden in der Regel erst dann zu Kapital, wenn alle Grundbedingungen, angefangen von der Zulassung bis hin zum Flugbetrieb festgelegt sind.
Nun gab Vertitical Aerospace bekannt, per «SPAC» an die Börse gehen zu wollen, nachdem sich einige namhafte Unternehmen, wie Honeywell, Microsoft und Rolls-Royce entschlossen hatten, neben American und Avolon in das junge Unternehmen zu investieren. SPAC’s sind Mantelgesellschaften, die den Zweck haben an der Börse Kapital zu generieren. Die Bereitschaft potenter Kapitalgeber ist während der Pandemie weltweit gestiegen. Andere Unternehmen mit den gleichen Absichten wie Lilium oder Volocopter konnten horrende Millionenbeträge einsammeln. Längst zeichnen sich aber auch dunkle Wolken am Horizont für die Anbieter auf, die nicht über die Mittel und Vorbestellungen verfügen, wie Vertical Aerospace-Gründer Stephen Fitzpatrick. Der in Belfast geborene Unternehmer besass schon einen Formel-1 Rennstall und ist Besitzer des Energie-Unternehmens OVO Energy. Gestärkt durch den ersten grossen Festauftrag tönen Fitzpatrick’s Worte als grösster Einzelaktionär von Vertical Aerospace dennoch sehr vollmundig: «Die heutige Ankündigung bringt einige der grössten und angesehensten Technologie- und Luftfahrtunternehmen der Welt zusammen. Gemeinsam können wir unser Ziel erreichen, den VA-X4 zum ersten kohlenstofffreien Flugzeug zu machen, mit dem die meisten Menschen fliegen werden.»
Kommerzieller Flugbetrieb schon in drei Jahren?
Den kommerziellen Flugbetrieb mit dem VA-X4 will Vertical Aerospace bis 2024 ermöglichen. Auf dem Weg dorthin streben die Briten für den Senkrechtstarter eine Zertifizierung durch die EASA an. Zum VA-X4 macht das Unternehmen weder auf seiner Website, noch in anderen Mitteilungen detaillierte Angaben. Dort heisst es lediglich, dass der VA-X4 Geschwindigkeiten von über 200 mph (etwa 320 km/h) erreicht und «niedrige Kosten pro Passagiermeile verursacht». Vertical Aerospace wird die Entwicklung nicht total alleine betreiben und hat sich als namhafte Hersteller die amerikanische GKN, ein CFK-Spezialist, Rolls-Royce für die Antriebe und Solvay für Chemieprodukte mit ins Boot geholt.
Der achtmotorige Senkrechtstarter, der für den Reiseflug nur vier der elektrischen Antriebe nutzt, könnte die Erprobungsphase schnell durchlaufen, da an diesem VTOL keine sensationell neuen Technologien eingesetzt werden müssen. Rolls-Royce hatte bereits vor zwei Jahren quasi komplett von Siemens entwickelte Motoren übernommen. Honeywell ist in Sachen Flugführung und Flugregelung über Jahrzehnte erfahren und Zellenbau ist kein Geheimnis mehr. Das Zusammenspiel der Komponenten macht denn einen perfekten Senkrechtstarter aus. Ohnehin nichts Neues für die Engländer, die schon vor 60 Jahren die ersten Senkrechtstarter der Welt bauten.
Bis anhin wurden weder Zivilbevölkerung noch die zuständigen Behörden in die Pläne der VTOL-Hersteller miteinbezogen. Die Frage, ob und wie sie flugsicherungstechnisch den gemischten Flugverkehr durchführen können, ist noch nicht geklärt.