Der Anteil der globalen Luftfahrt an der anthropogenen Klimaerwärmung beträgt 3,5 Prozent. Zudem zeigt sich, dass nur ein Drittel der Klimawirkung des Luftverkehrs auf CO2-Emissionen entfällt und zwei Drittel auf Nicht-CO2-Effekte, wobei Kondensstreifen und daraus resultierende Kondensstreifen-Zirren der bedeutendste Faktor sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfangreiche internationale Studie unter der Leitung der Manchester Metropolitan University unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), die am 3. September 2020 im Journal Atmospheric Environment erschienen ist.
Bisher umfassendster Einblick
Die Studie ist die erste ihrer Art seit 2009 und liefert den bisher umfassendsten Einblick zu den Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima mit Berechnungen gemäss einer neuen Metrik. Die Forscherinnen und Forscher bewerten dabei alle Faktoren, die die Luftfahrtindustrie seit ihrem Entstehen zum Klimawandel beigetragen hat, einschliesslich der Emissionen von Kohlendioxid (CO2), Stickoxiden (NOx) sowie der Wirkung von Kondensstreifen und Kondensstreifen-Zirren (Wolken aus Eiskristallen, die von Flugzeugtriebwerken in grosser Höhe bei passenden meteorologischen Bedingungen erzeugt werden). Ebenso in die Studie mit einbezogen sind weitere klimarelevante Emissionen wie Wasserdampf, Russ, Aerosol- und Sulfat-Aerosolpartikel, die sich in den Abgasfahnen von Flugzeugtriebwerken finden.
Strahlungsbudget der Erde im Blickpunkt
Mit der erstmaligen Verwendung der weiterentwickelten Metrik, die 2013 vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) eingeführt wurde, schlägt die jetzige Studie ein neues Kapitel in der Analyse der Klimawirkung des Luftverkehrs auf. Die neue Metrik wird als «effektiver Strahlungsantrieb» (effective radiative forcing, ERF) bezeichnet und stellt die Zunahme oder Abnahme des Gleichgewichts zwischen der von der Sonne kommenden Energie und der von der Erde emittierten Energie seit der Zeit vor der Industrialisierung dar, und rückt damit das Strahlungsbudget der Erdatmosphäre in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei werden erstmals auch Wirkungen räumlich inhomogener Effekte in den Berechnungen berücksichtigt, wie beispielsweise das global unterschiedlich verteilte Auftreten und Wirken von Kondensstreifen-Zirren in Abhängigkeit von Flugverkehr und Wetterbedingungen.
«Unter Verwendung der neuen ERF-Metrik fanden wir heraus, dass der Einfluss der Kondensstreifen-Zirren weniger als die Hälfte der zuvor geschätzten Klimawirkung entfaltet, aber immer noch den grössten Beitrag des Luftverkehrs zur globalen Erwärmung beisteuert», erklärt Prof. Robert Sausen vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen. «Kondensstreifen-Zirren reflektieren zum einen solare Strahlung in den Weltraum; das wirkt kühlend. Zum anderen verringern sie die Wärmeabstrahlung der Erde; das erwärmt das Klima. Im globalen Mittel dominiert der erwärmende Effekt.» Kohlendioxidemissionen stellen daneben den zweitgrössten Beitrag zur Klimawirkung des Luftverkehrs dar. Im Gegensatz zu den Auswirkungen der mit einigen Stunden vergleichbar kurzlebigen Kondensstreifen-Zirren hält die Wirkung von CO2 auf das Klima über viele Jahrhunderte an, wobei sich dieses Klimagas über die lange Zeit global weitgehend gleichmässig verteilt.
32,6 Milliarden Tonnen CO2
Für die CO2-Emissionen der globalen Luftfahrt im Laufe der gesamten Geschichte der Branche – betrachtet zwischen 1940 und 2018 – kommt die Studie zu dem Schluss, dass 32,6 Milliarden Tonnen emittiert wurden. Ungefähr die Hälfte des gesamten kumulativen CO2-Ausstosses wurde allein in den letzten 20 Jahren erzeugt, was vor allem auf die Ausweitung der Zahl der Flüge, der Routen und der Flottengrössen, insbesondere in Asien, zurückzuführen ist. Das Forschungsteam schätzt, dass die Zahl von 32,6 Milliarden Tonnen rund 1,5 Prozent der gesamten menschlichen CO2-Emissionen entspricht. Werden die Nicht-CO2-Effekte mit einbezogen, errechnet sich der Anteil des Flugverkehrs an allen menschlichen Aktivitäten, die die globale Erwärmung vorantreiben, auf 3,5 Prozent.
Die Wissenschaftler nahmen die umfassende Analyse der einzelnen Faktoren der Klimawirkung der Luftfahrt vor, um daraus erstmals eine Gesamtklimawirkung für die globale Luftfahrt zu errechnen. Ähnliche bisher weniger detaillierte Studien wurden in den Jahren 1999, 2005 und 2009 durchgeführt. Zukünftig werden die Auswirkungen des Luftverkehrs auf den Klimawandel auf Grundlage dieser Ergebnisse mit anderen Sektoren wie der Seeschifffahrt, dem Bodenverkehr und der Energieerzeugung verglichen werden können.
Technologien zur Begrenzung der Klimawirkung
Für den Luftverkehr der Zukunft forscht das DLR bereits an Methoden und Technologien um zu CO2-neutralen Luftfahrzeugen zu gelangen mit Hilfe von Biotreibstoffen, Wasserstoff und hybrid-elektrischen Antrieben. «Die Nutzung von Biotreibstoffen führt zudem zu einer geringeren Emission von Russ und damit zu einem kleineren Klimaantrieb aufgrund der Kondensstreifen-Zirren», erklärt Dr. Ulrike Burkhardt vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen. Zur Reduzierung der Nicht-CO2-Effekte untersucht das DLR ausserdem Verfahren zur Optimierung von Flugrouten und -höhen mit dem Ziel einer minimalen Klimawirkung. Alternative Flugrouten bieten beispielsweise die Möglichkeit Regionen und Flughöhen zu vermeiden, in denen aufgrund der Temperatur und Luftfeuchte Kondensstreifen auftreten würden.
An der Studie beteiligt sind unter der Leitung der Manchester Metropolitan University MMU (GB): National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA (USA), University of Oxford (GB), DLR (D), Peking University (China), University of Colorado (USA), University of Leeds (GB), Center for International Climate Research CICERO (Norwegen), National Center for Atmospheric Research (USA), University of California, Irvine (USA),University of Michigan (USA), University of l’Aquilla (I), University of Reading (GB).