Am 4. August 2018 verunglückte die Ju 52 HB-HOT der Ju-Air mit 17 Passagieren und drei Besatzungsmitgliedern an Bord auf der südlichen Seite unterhalb des Segnespass, dem Alpenübergang von Flims (GR) nach Elm (GL). Alle 20 Insassen verloren dabei ihr Leben. Am 28. Januar 2021 hat die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST den Schlussbericht veröffentlicht. Dieser kommt schwergewichtig zum Schluss, dass Pilotenfehler zum Absturz führten.
In einem detaillierten Bericht zeigt Luft- und Raumfahrt-Ingenieur Peter Frei auf, dass gemäss seinen Untersuchungen, Analysen, Berechnungen und Beurteilungen Flugwegwahl, Flugtaktik, Flughöhe und Fluggeschwindigkeit den Flugunfall nicht verursacht haben können. Die Piloten hätten auch mit Motorausfall oder starkem Abwind jederzeit vor dem Segnespass im Talkessel eine Umkehrkurve fliegen können, so seine Beurteilung. «Trotzdem beharrt die SUST im Schlussbericht darauf, dass dies die Unfallursachen seien», schreibt Frei in seinem Bericht.
Zusammenfassung der flugmechanischen Erkenntnisse
Peter Frei hat in einem weiteren Bericht mit flugmechanischen Analysen aufgezeigt, dass die Ju 52 ingewissen speziellen Flugzuständen nicht mehr steuerbar sei. Ein solcher Zustand könne bei der folgenden Konstellation entstehen:
a. gleichzeitiges Auftreten von Schwerpunktlagen leicht hinter dem zulässigen Bereich,
b. Propellerschub, wie er bei dieser Reiseleistung vorlag, und
c. hoher Anstellwinkel des Flugzeugs nahe am Strömungsabriss.
«Diese Konstellation kommt sicher selten vor, da die drei Ju 52 in der Schweiz viele Jahre mit ähnlichen Schwerpunktlagen unfallfrei geflogen wurden. Selten ist jedoch nicht nie. Mit grosser Wahrscheinlichkeit hat sich genau diese Konstellation beim Unfall ergeben, als die Ju 52 beim Martinsloch mit einer Schwerpunktlage leicht hinter dem zulässigen Bereich und mit normaler Reisefluggeschwindigkeit (dies ist per Definition keine gefährlich tiefe Fluggeschwindigkeit) in markante Böen eingeflogen ist. In der Folge hat sich der Anstellwinkel stark erhöht, wie im SUST-Bericht dokumentiert.»
In ihrem Schlussbericht ist die SUST auf keine der Analysen von Peter Frei eingegangen. «Die der SUST eingereichten Analysen wurden mit der dringenden Forderung verbunden, die flugmechanischen Themenkreise vertieft anzuschauen und zu berücksichtigen», betont Frei.
Zur Reaktion der SUST auf die Analysen
Statt genau dies zu tun, habe die SUST Zeit und Geld eingesetzt, um einen ganzen Katalog von Schutzbehauptungen zu erarbeiten, damit seine Analysen ins Leere laufen, sagt Frei. So werde etwa moniert, dass er die falschen Daten aus dem Entwurf des Unfallberichts verwendet oder die Daten falsch angewendet habe.
Im Entwurf des Schlussberichts wurden gewisse Schwerpunktlagen hinter dem zulässigen Bereich noch als vorstellbare mögliche Varianten dargestellt, erklärt Frei und stellt fest: «Im Schlussbericht sind diese interessanterweise nun nicht mehr existent. Auch tauchen im Schlussbericht plötzlich zusätzliche Daten auf, die relevant sein sollen. Es stellt sich die Frage: Weshalb waren diese Daten nicht im Entwurf des Schlussberichts, der in die Vernehmlassung gegeben wurde?»
Unwürdiges Taktieren?
Pikant sei, dass seine Analysen durch die zu deren Entkräftung im Schlussbericht neu angeführten oder weggelassenen Daten in keiner Art und Weise tangiert werden, kritisiert Peter Frei. Das Resultat seiner Analysen bleibe indes vollumfänglich erhalten: «Die problematische Flugmechanik der Ju 52 in gewissen speziellen Flugzuständen existiert und muss zur Kenntnis genommen werden. Die SUST versteift sich auf ein unwürdiges Taktieren. Mit diesem Taktieren ist der Flugsicherheit der verbleibenden Ju 52, falls sie denn je wieder fliegen sollten, definitiv kein Dienst erwiesen», lautet sein Fazit.
Statement der Hinterbliebenen
Die Hinterbliebenen des Captains, vertreten durch den Luftrechtsspezialisten Rechtsanwalt Philip Bärtschi, halten fest, dass sie es akzeptieren könnten, wenn ihrem Familienmitglied in objektiver, sachlicher und fairer Weise ein Fehlverhalten vorgeworfen würde. Sie wehren sich indessen – auch im Sinne des Andenkens an ihr Familienmitglied – gegen das polemische Fazit der SUST, welches keinen Beitrag zur künftigen Flugsicherheit leistet und für Kritik von Fachleuten sorgte, wie eben von Luftfahrtingenieur Peter Frei, ehemaliger Chef Aerodynamik bei Solar Impulse. Die Hoffnung der Hinterbliebenen besteht darin, dass sich in Zukunft keine Flugunfälle mehr ereignen, bei denen Passagiere und Besatzungsmitglieder aufgrund von bekannten Ursachen sterben müssen. Sie werden deshalb eine Einsprache gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme der Untersuchung – eine solche hat die Familie wegen der zahlreichen flugmechanischen Einwände von dipl. Ing. ETH Peter Frei Anfang Januar verlangt – prüfen.
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