Bulgarien arbeite laut Verteidigungsminister Stefan Janew an drei möglichen Szenarien eines Fortgang des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. «Ob und welche Entscheidungen daraus folgen, wird sich in kurzer Zeit zeigen.» Die bulgarische Regierung werde über den Einsatz spanischer Eurofighter-Jets noch entscheiden, das soll in wenigen Tagen geschehen. Im Februar steht ein Treffen der NATO-Verteidigungsminister an. «Bis dahin muss Bulgarien eine nationale Position haben, die ich dort vertreten muss», erklärte Janew.

Zur Luftraumüberwachung nicht in der Lage

Der wirtschaftlich «ärmste» EU-Staat hat im Vergleich mit Rumänien noch keine grossen Schritte in Sachen Erneuerung seiner Luftwaffe unternommen. Die wenigen täglich flugfähigen der insgesamt zwölf MiG-29-Jets könnten eine vielleicht wochen- oder monatelange Dauer-Einsatzbereitschaft vor allem personell nicht abbilden, ihre Piloten fliegen – wie nach dem Absturz einer Maschine im vergangenen Juni ins Meer bekannt wurde – nur rund 15 Stunden pro Jahr. Die noch verfügbaren MiG-21 und Su-25 sind überhaupt ausser Stande, einen Teil zur aktiven Luftraumüberwachung beizutragen. Eine (leichte) Entspannung der Situation ist erst für die Zeit ab 2024 zu erwarten, wenn acht neue US-Kampfjets des Typs F-16/70 zulaufen sollen.

Auch im NATO-Staat Rumänien – dort hat man sich entschlossen, die Luftwaffe nach ex-portugiesischen auch mit 32 ex-norwegischen F-16 zu verstärken – sind zur Verteidigung und Überwachung der NATO-Südostgrenze unregelmässig rotierende Jet-Kontingente westlicher Luftwaffen stationiert. Militär Aktuell besuchte 2017 die RAF-Operation Biloxi, britische Typhoons FGR4 in Mihail Kogalniceanu nahe Konstanza. Und seit 2011 gibt es eine Art «Nacheile-Vereinbarung» zwischen Bulgarien und Rumänien, die grenzüberschreitende Luftraumschutzmassnahmen regelt. Neu ist seit 2021, dass diese Regelung auch für in Rumänien stationierte Flugzeuge eines NATO-Drittstaates im Rahmen von Luftschutzoperationen gilt. Deren Piloten können bei Bedarf also in den bulgarischen Luftraum fliegen, was bisher nicht möglich war.

Spanien und Niederlande bestätigen

Bei dem Air Policing über dem südosteuropäischen EU-Land geht es um die Verlegung von insgesamt bis zu neun Kampfjets aus den beiden NATO-Ländern Spanien und Niederlande. Auf Ersuchen der NATO werde Madrid im Februar sechs Eurofighter und 100 Soldaten nach Bulgarien entsenden, wie die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles bestätigte. Diese Mission soll – angesichts der ständigen Präsenz russischer Flugzeuge im Schwarzmeer-Luftraum – den alliierten Luftraum schützen, erklärte Robles. Operation Biloxi umfasste vier Maschinen und ein 143-köpfiges Personal.

Geführt werden in solchen Einsätzen – die Mission in Bulgarien ist ähnlich wie das Baltic Air Policing aufgesetzt – die NATO-Piloten übrigens nicht aus dem Gastland (welches Beobachter beistellt), sondern von zwei Einsatzzentralen, sogenannten CAOCs in Uedem (Norddeutschland) und Torrejon (Spanien). Letzteres ist für den Raum Süd- und Südosteuropa zuständig.

«Es gibt einen besorgniserregenden russischen Truppenaufbau an der Grenze zur Ukraine», sagte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren gegenüber ihrem Parlament. «Auch verhält sich Russland immer offensiver. Daher verstärkt die NATO die Abschreckung und Verteidigung.» Die Niederlande werden dem Bündnis einige Jagdflugzeuge vom Typ F-35 zur Verfügung stellen. In ihrem ersten «scharfen» Einsatz sollen diese ab April von Bulgarien aus eingesetzt werden, um unbekannte Flugzeuge im Luftraum über dem NATO-Vertragsgebiet abzufangen, sagte das Verteidigungsministerium. «Es ist es wichtig, auch auf das unerwünschte Szenario vorbereitet zu sein, wenn Verhandlungen scheitern», so Kajsa Ollongren, die sich auch für harte Sanktionen der EU gegenüber Russland einsetzen will.

Ex-Luftwaffenchef nun «entschlossener» Staatspräsident

Der bulgarische Staatspräsident Rumen Radew hat am 21. Jänner russische Forderungen rund um den Ukraine-Konflikt zum Truppenabzug der NATO aus östlichen Mitgliedstaaten wie etwa Bulgarien als «unannehmbar und grundlos» zurückgewiesen. In Bulgarien gebe es keine ständig stationierten Kontingente und Systeme der Allianz. Eine souveräne Entscheidung darüber liege im Einklang mit seinen Verpflichtungen zur Allianz ausserdem bei Bulgarien, erklärte Radew. «Unser Land nimmt keine ultimativen Forderungen von niemandem an», so Radew.

Der im November 2021 wiedergewählte 58-Jährige trat am nächsten Tag mit einer feierlichen Militärparade im Zentrum von Sofia seine zweite fünfjährige Amtszeit an. Er war früher Kampfjetpilot und später Luftwaffenchef.
Bezüglich einer eventuellen Stationierung zusätzlicher NATO-Truppen in Bulgarien sagte Verteidigungsminister Janew: «Wenn es aufgrund einer Veränderung des Umfelds und einer Eskalation der Lage erforderlich ist, wird das Verteidigungsministerium dem Ministerrat Optionen für die Beschlussfassung durch die zuständigen bulgarischen Behörden, einschliesslich der Volksversammlung, vorschlagen. Bislang hat unser Land keine offizielle Position zu den Risiken, die sich aus den wachsenden Spannungen an der russisch-ukrainischen Grenze ergeben, da die Varianten einer Reaktion der NATO auf militärisch-technischer Ebene diskutiert werden.»

Moskau reagiert

In einem durchaus als Reaktion auf die oberhalb geschilderte Verstärkung der NATO-Luftkapazitäten im Südostraum zu verstehenden Statement, erneuerte das russische Aussenministerium laut CNN am 21. Januar seine jüngsten Forderungen gegenüber der NATO. Demnach dürfe das Verteidigungsbündnis keinesfalls die Ukraine aufnehmen und müssten seine Truppen und Streitkräfte hinter die NATO-Grenzen von 1997 zurückgezogen werden. Damals hatte die NATO noch keine osteuropäischen Staaten in seine Gemeinschaft aufgenommen. Im Wortlaut hiess es ausdrücklich: «Wir sprechen über den Abzug ausländischer Streitkräfte, Ausrüstung und Waffen sowie über andere Schritte, die sicherstellen werden, dass die Situation in den Ländern, die 1997 keine NATO-Mitglieder waren, wieder so aufgebaut wird, wie sie damals war.» Nachsatz: «Dazu gehören auch Bulgarien und Rumänien.»

 

Mit freundlicher Genehmigung von MILITÄR AKTUELL