Was haben das Errichten einer Kehrichtverbrennung oder die Erfindung neuartiger Abfall- säcke für einen Zusammenhang mit einem traditionsreichen Helikopter-Flugunternehmen? Im Falle der Air Zermatt keinen geringen: Sie widerspiegeln das visionäre Denken und Handeln des Gründers und ehemaligen Apothekers Beat H. Perren. Der inzwischen 89-Jährige war anno 1968 Gemeinderat und Vizepräsident von Zermatt, als er die Idee gebar, einen Helikopter in Zermatt zu stationieren, damit die Verletzten nicht mehr wie bis anhin – mangels einer Strasse – mit dem Zug aus Zermatt heraus transportiert werden mussten. Zudem könnten sie per Helikopter an Ort und Stelle des Unfalls geborgen werden. Die Zermatter entschieden sich aus Lärmgründen an einer ersten Gemeindeversammlung gegen diese Idee. Doch Perren gab nicht auf: Nach einer Informationsveranstaltung konnte er die Bevölkerung für seine Idee gewinnen. Zusammen mit drei Partnern erwarb er 1968 den ersten Jet Ranger Bell 206. Selber flog er ihn nicht, konnte jedoch den BundeswehrPiloten Günther Amann engagieren. Dank der Einführung der zweiten Maschine vom Typ Alouette III – in der Schweiz die erste ihrer Art mit einer Winde – ging es mit der Firma schnell aufwärts. Die Bergrettung steckte damals in den Kinderschuhen, insbesondere punkto medizinische Versorgung an Bord und Rettungstechniken. Perren, stets von einem starken Erfinder- und Unternehmergeist inspiriert, scheute keine Mühe, um sich den topographischen Herausforderungen zu stellen: Es folgte die Einführung der Rettung mit Korb an einer Leine sowie die Rettung mit einer Rettungswinde, die schon bald darauf die bis dahin übliche Rettung mit Fallschirmspringern und dem Bahrentransport per Ski ablöste.
Erste Rettung an der Eigernordwand
Anlässlich des ersten internationalen Helikopter-Symposiums 1970 im Berner Oberland gelang der jungen Zermatter Firma ein Durchbruch. Sie demonstrierte, dass auch in den steilsten und gefährlichsten Bergwänden Rettungen möglich sind. Dabei wurden an fünf Stellen der Eigernordwand Bergführer erfolgreich mit der Winde abgesetzt. Bereits ein Jahr später trat der Ernstfall ein: Günther Amann flog die erste Rettung an der Eigernordwand und wurde dafür in den USA mit dem «Award of Heroism» ausgezeichnet. Weitere Entwicklungen von technischen Neuerungen führten dazu, dass die Rettungsfliegerei immer professioneller wurde – sprich auf mehr angepasstere Mittel zugreifen konnte, um den zahlreichen, unterschiedlichen Szenarien angemessen begegnen zu können. Dankbar für die ambitionierte Luftrettungsfirma dürften anno 1972 die 72 Passagiere der Luftseilbahn aufs Schilthorn gewesen sein: Sie wurden in einer für diese Zeit erstmals ausgeführten Massen-Rettungs aktion mittels Rettungswinde aus einer blockierten Gondel evakuiert. Immer wieder auftretende Waldbrände liessen auch den Gründer Perren nicht kalt. Im Jahr 1970 stellte man ernüchtert fest, dass das alleinige Absetzen von Feuerwehrmännern das Problem der Brände nicht löste. Der Patron entwickelte alsdann zusammen mit Metallbauern den sogenannten «Kipplöschkessel» mit 700 Liter Wasser Inhalt.
Zusammenhang zwischen Heliskiing und Bergrettung
Der derzeitige CEO der Air Zermatt, Gerold Biner, ist seit 1983 bei der Firma und begann seine Karriere als Hilfsmechaniker, bevor er sich firmenintern zum Helimechaniker weiterbilden liess. Er flog nach dem Erlangen der Berufspilotenlizenz als Pilot, danach folgten die Positionen als Flugbetriebslei- ter und seit 2012 als CEO. Perren als Vorgesetzter ist ihm in bester Erinnerung: «Man konnte sich stets einbringen und zusammen neue Ideen ausbrüten», sagt Biner, der rund die Hälfte der Zeit als Pilot amtet und die andere im Büro tätig ist. Die betriebswirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens kennt er bestens und bemerkt zum oftmals angeschwärzten Heli-Skiing: «Diese Art von Transport darf nicht isoliert betrachtet werden. Die Heliskiing-Flüge, wie auch die anderen Aerial-Work-Flüge, sind für unsere Piloten ein unabdingbares Training. Wir brauchen die Erlöse der kommerziellen Flüge, um damit die Bergrettung querzusubventionieren.» Trotz den Beiträgen von Krankenkassen und jenen der rund 20 000 Gönnern ist die Bergrettung an sich nämlich defizitär – obschon sie zu einem grossen Teil die Identität der Firma ausmacht. Zu den kommerziellen Flügen gehören auch Taxiflüge, Rundflüge, Unterlast-Flüge für Holztransporte, Löschflüge, Versorgungen von Hütten sowie der Bau von Seilbahnen und Lawinenverbauungen.
Krise Mitte der 1990er-Jahre
Heftige Stürme waren der Grund für grossflächige Waldschäden, die das Wallis wäh rend Stürmen wie z.B. «Lothar» erlitt. Aufgrund der Angst vor dem Borkenkäfer sprach der Bund Finanzmittel, um zahlreiche Holzungen durchzuführen. Das ging im Wallis mit dem Helikopter am besten – und führte dazu, dass Air Zermatt massiv ausbaute und auch Geld in zweimotorige Helikopter investierte. Die Situation änderte sich jedoch plötzlich: Die Gelder des Bundes an die einzelnen Gemeinden wurden gestoppt – zahlreiche Aufträge für Holztransport waren im Auftrag der Kommunen jedoch bereits ausgeführt worden. Übrig blieben offene Rechnungen, die nicht mehr bezahlt wurden. «Uns stand das Wasser bis zum Hals», erinnert sich Biner. Es blieb nichts anderes übrig, als die grösseren Helikopter zu verkaufen und sich zu redimensionieren.
Unbekannte Facetten
Nicht nur Helikopter-Fliegen macht die Air Zermatt aus. Das Unternehmen hat über die Jahre sein Portfolio stark erweitert: Seit dem Jahr 1999 existiert das Air Zermatt Training Center. Die angebotenen Ausbildungen und Weiterbildungen sind vielfältig. Ausländische Organisationen lassen ihre Bergretter oder medizinisches Personal ausbilden, aber auch LKW-Chauffeure können CZV-Kurse (Chauffeurzulassungsverordnung) besuchen. Zu den Kunden der Ausbildungssparte gehören auch Helikop ter-Piloten anderer Flugunternehmen – unter anderem solche ausländischer Streitkräfte. Humanitäres Engagement Nach dem Erdbeben im Jahr 2015 wurde unter Mithilfe von Air Zermatt der Verein «Earth c-air» gegründet, anlehnend an «care». Fokusland ist Nepal: Dort werden Mittel eingesetzt, um beispielsweise zerstörte Schulhäuser wieder aufzubauen. Dabei werden die lokale Bevölkerung und deren Engagement ebenso gefordert. Weiter kommen auch die Kernkompetenzen des Walliser Traditionsunternehmens zum Zug: Auch im asiatischen Kleinstaat werden Bergretter aus- und weitergebildet, unter anderem solche des lokalen Helikopter-Unternehmens Simrik Air. Dank diesem Training konnte Simrik Air bereits mehrere Bergrettungen mit einer «long line», also einer langen Leine, für verunglückte Himalaya-Bergsteiger durchführen. Für Gerold Biner ist Air Zermatt ein Teil des Wirtschaftskreislaufs im Wallis. Er weiss, dass die Topographie des Wallis eine Infrastruktur bedingt, die zu einem beachtlichen Teil nur mit dem Helikopter effizient gebaut und unterhalten werden kann. Sehr wichtig ist ihm jedoch die lokale Verankerung – das Unterwegssein im Dienst der Oberwalliser Bevölkerung.