Um den Luftverkehr in den nächsten Jahrzehnten klimaverträglicher zu gestalten, müssen innovative Technologien vorangetrieben werden. Da Kurzstreckenflüge einen signifikanten Anteil an den aktuellen CO2-Emissionen der Luftfahrt verursachen, griff die DLR Design Challenge 2024 dieses Thema auf. Die Aufgabe war der Entwurf eines emissionsarmen Luftfahrzeugs für die zukünftige Mobilität auf der Kurzstrecke.
Know-how, Kreativität und Teamgeist als Schlüsselkompetenzen
Sechs Studierenden-Teams präsentierten bei der Abschlussveranstaltung des Wettbewerbs ihre Entwürfe, für die sie rund vier Monate Zeit hatten. Dabei durchliefen die Studierenden Prozesse wie beim echten Entwurf von Flugzeugen: Von der ersten Konzeptidee über die detaillierte Ausarbeitung technischer Aspekte und deren Berechnung bis hin zur überzeugenden Präsentation vor der Fachjury. Sie sammelten wertvolle Erfahrung und verknüpften ihr erlangtes Wissen mit praktischen Fähigkeiten, indem sie unter realistischen Bedingungen arbeiteten und aktuelle Herausforderungen der Luftfahrtindustrie meisterten. Die Aufgabe erforderte nicht nur technisches Know-how, sondern auch Kreativität und Teamarbeit.
Von Erfahrungen und Kontakten profitieren
Im Laufe des Projekts investierten die Studierenden mehrere Hundert Stunden in die Entwicklung ihrer Konzepte. Sie werden langfristig von den umfassenden Erfahrungen sowie den Kontakten zu Experten aus der Branche profitieren. Die Design Challenge wurde zusammen von den DLR-Instituten für Systemarchitekturen in der Luftfahrt und Aerodynamik und Strömungstechnik ausgerichtet.
«Charge» überzeugte
Der erste Platz der DLR Design Challenge 2024 ging an das Team der TU Berlin. Ihr Konzept CHARGE überzeugte die Jury mit einem Bericht, in dem alle Designentscheidungen ausführlich begründet und erläutert wurden. Alle wichtigen Disziplinen wurden ausführlich abgedeckt, und der Einsatz innovativer Technologien wurde mit soliden Untersuchungen gerechtfertigt.
Innovative und kreative Entwürfe
Die TU Braunschweig landete auf dem zweiten Platz. Ihr Team punktete mit seinem Konzept VoltAirs-95 besonders durch die hohe Plausibilität, bei dem eine sehr gute Balance zwischen Innovation und bewährten Technologien vorlag. Platz drei belegte Team HYPER der DHBW Ravensburg. Es präsentierte ein solides, durchdachtes Konzept, das wenige Fragen der Jury offen liess. Die ausführliche Untersuchung des Antriebskonzepts fiel besonders positiv auf. «Insgesamt wurden alle eingereichten Entwürfe für innovativ und sehr kreativ befunden, so dass alle Teams als Gewinner gelten», so die Jury während der Preisverleihung.
Weniger CO2 durch mehr Effizienz auf Kurzstrecken
Für das zu entwerfende Luftfahrzeug gehörte zur Aufgabenstellung, die Indienststellung bis zum Jahr 2050 einzuplanen. Ein vorgegebenes Netzwerk an europäischen Regionalrouten soll durch das neue Flugzeug ökologisch und gleichzeitig wirtschaftlich bedient werden können. Den Teilnehmenden war es durch eine Analyse des Netzwerks selbst überlassen, die Reichweite und Passagierkapazität zu wählen und somit beide Anforderungen optimal auszufüllen. Dazu war die Wahl des Energieträgers ebenfalls offen: Es konnte zwischen Wasserstoff, Elektrizität und nachhaltigem Flugkraftstoff in hybrider Anwendung entschieden werden.
CHARGE (Carbon-neutral High-efficiency Aircraft for ReGional Electric flight)
setzt auf die Kombination aus einer Box-Wing Konfiguration mit verteilten elektrischen Antrieben (DEP), um eine hohe aerodynamische und propulsive Effizienz zu erzielen. Für die Energieversorgung setzt das Konzept ausschliesslich auf Batterien aufgrund des ausserordentlich hohen Wirkungsgrades. CHARGE soll 110 Passagiere auf einer Strecke von bis zu 894 Kilometern transportieren können.
VoltAirs-95
heisst das eingereichte Konzept der TU Braunschweig, das Platz für 95 Passagiere bietet. Es hat eine Auslegungsreichweite von knapp 900 Kilometern und wird von zehn verteilten elektrischen Propellern angetrieben. Ein zusätzliches Triebwerk im Heck, betrieben mit nachhaltigem Flugzeugkraftstoff (SAF), wird für die Reservemission eingesetzt oder kann für eine verlängerte Flugdauer bei entfernteren Zielen hinzugeschaltet werden. Die Batterien sind im Rumpf des Flugzeugs und den Flügeln untergebracht. Das Flugzeugdesign ist konventionell, verfügt aber über ein V-Leitwerk. Der fensterlose Rumpf ist mit OLED-Displays in der Kabine ausgestattet, um den Passagieren ausreichend Komfort zu bieten und gleichzeitig das Strukturgewicht zu verringern.
Das Konzept HYPER (HYdrogen Powered Electric Regional aircraft)
sieht vor, 89 Passagiere auf bis zu 1250 Kilometern zu transportieren. Das Design überzeugt durch eine hocheffiziente und innovative Box-Wing Flügelanordnung. Die elektrischen Antriebe werden durch eine hybride Stromversorgung gespeist: Im Reiseflug liefern Brennstoffzellen die Energie aus Flüssigwasserstoff, während Batterien zur Unterstützung in Flugphasen mit hohem Leistungsbedarf bereitstehen. Zudem sorgt ein BLI-Antrieb (Boundary Layer Ingestion; Antrieb, welcher die rumpfnahe Strömung zur Schubgenerierung verwendet) zu einer weiteren Verbesserung des Antriebswirkungsgrades.
Mit EcoAir
präsentiert die RWTH Aachen ein Flugzeug mit einer Kapazität von 76 Passagieren und einer Reichweite von 900 Kilometern. Das Konzept setzt auf einen hybrid-elektrischen Antriebsstrang aus mit flüssigem Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen und Batterien. Um einen hohen aerodynamischen Wirkungsgrad zu erreichen, setzt EcoAir auf die Verwendung von klappbaren Flügelspitzen, die eine grosse Spannweite ermöglichen, ohne die Kompatibilität mit Flughafeninfrastrukturen zu beeinträchtigen. Zudem ist der Flügel mit einem sogenannten Hybrid-Laminar-Flow-Control-System ausgestattet, bei dem die turbulente Grenzschicht durch die Flügelhaut abgesaugt wird, um den Reibungswiderstand zu verringern.
MOBULA (Modular Blended Wing Body Ultra Low Emission Aircraft)
der Universität Stuttgart kombiniert die aerodynamischen Vorteile eines Nurflüglers mit einem innovativen Abfertigungsprozess am Flughafen. Der Entwurf für 72 Passagiere und einer Reichweite von 1500 Kilometern sieht eine Teilung der Rumpfsektion von der Flügelsektion am Flughafen vor. Dadurch können bereits Passagiere ein- und aussteigen, während das Flügelsegment noch abgefertigt wird. Die Abfertigung des Flugzeugs wird infolgedessen insgesamt beschleunigt. Angetrieben wird MOBULA von sechs Elektropropellermotoren, welche durch Elektrizität aus einer Brennstoffzelle und Batterien gespeist wird. Hierfür wird der Wasserstoff in zwei austauschbaren Tanks im Heck des Flugzeugs gespeichert.
HydroProp
Das von der HAW Hamburg entwickelte HydroProp ist für 110 Passagiere bei einer Reichweite von knapp 2000 Kilometern ausgelegt. Es setzt auf ein konventionelles Design und wird von zwei Turboprop-Triebwerken mit Wasserstoffdirektverbrennung angetrieben, welcher kryogen gespeichert wird. Der Rumpf des Konzeptes ist auf maximale aerodynamische Effizienz optimiert und bietet trotz fensterloser Bauweise durch eingebaute OLED-Displays ausreichend Passagierkomfort.