Der grosse Nachholbedarf, die Aufhebung der Reisebeschränkungen in den meisten Märkten, die niedrige Arbeitslosigkeit in den meisten Ländern und die gestiegenen privaten Ersparnisse führen zu einem Wiederanstieg der Nachfrage, so dass die Passagierzahlen im Jahr 2022 83 % des Niveaus vor der Pandemie erreichen werden, so das Fazit der IATA anlässlich der Jahreshauptversammlung. «Die Menschen fliegen in immer grösserer Zahl. Die Verluste werden in diesem Jahr auf 9,7 Mrd. USD reduziert, und für 2023 ist die Rentabilität in Sicht», sagte IATA-Generaldirektor Willie Walsh. Es sei eine Zeit des Optimismus, auch wenn es immer noch Herausforderungen bei den Kosten, insbesondere beim Treibstoff, und einige anhaltende Einschränkungen in einigen Schlüsselmärkten gebe, ergänzte er.
Überreaktion der Regierungen erschwerte Neustart
«COVID-19 war katastrophal. Es raubte unserer Welt Millionen von Menschen: Familienangehörige, Freunde und Kollegen», hält Walsh fest. Doch er kritisiert auch das Handeln der Regierungen: «Die Reaktion der Regierungen hat Verbindungen zerstört, Arbeitsplätze vernichtet und Menschen ins Elend gestürzt. Mit Massnahmen, die von Politikern auf der ganzen Welt damit gerechtfertigt wurden, dass ihre Entscheidungen von der Wissenschaft geleitet wurden.» Walsh moniert, dass die Regierung planlos und isoliert arbeiteten. «Sie erfanden die Dinge von Tag zu Tag und machten in einigen Fällen eine komplette Kehrtwende. Das Schlimmste war die panische Überreaktion auf Omicron», sagt er. Diese Unvorhersehbarkeit habe den Neustart erheblich erschwert. «Es ist kein Wunder, dass es heute bei einigen Fluggesellschaften und auf einigen Flughäfen betriebliche Probleme gibt.»
Fehler, die sich hoffentlich nicht wiederholen
Die IATA kritisiert, dass Regierungen den Rat der Weltgesundheitsorganisation WHO ignoriert haben, dass Grenzschliessungen kein wirksames Mittel zur Kontrolle der Ausbreitung eines Virus sind. Die IATA hofft, dass die starke und wachsende Immunität der Bevölkerung gegen COVID-19 bedeutet, so dass sich diese «politischen Fehler» nicht wiederholen werden. «Die Regierungen müssen ihre Lehren aus der COVID-19-Krise gezogen haben. Gegenwärtig gibt es keine Umstände, unter denen die menschlichen und wirtschaftlichen Kosten weiterer COVID-19-Grenzschliessungen gerechtfertigt wären», sagt Walsh und fordert: «Dass die Regierungen bei der nächsten Krise – was auch immer das sein mag – viel enger mit den Fluggesellschaften zusammenarbeiten.»
Krieg hält Treibstoffpreis hoch
Neben den betrieblichen Problemen, mit denen Walsh den aktuellen Personalmangel angesprochen hat, könnten die hohen Treibstoffpreise die Prognosen Branche dämpfen. Der Krieg in der Ukraine hält die Preise für Rohöl der Sorte Brent hoch. Der Treibstoff wird 2022 etwa ein Viertel der Kosten ausmachen. Allerdings sieht die IATA in den hohen Öl- und Treibstoffpreisen auch etwas Positives. Sie dürften dazu führen, dass die Fluggesellschaften ihre Treibstoffeffizienz verbessern, sowohl durch den Einsatz effizienterer Flugzeuge als auch durch betriebliche Entscheidungen.
Hohe Kosten durch Umleitungen ...
Etwa 7 % des internationalen Passagierverkehrs (RPK) würde normalerweise den russischen Luftraum durchqueren (Daten für 2021). Dieser ist nun aber für viele Betreiber gesperrt, was sich hauptsächlich auf Langstrecken zwischen Asien und Europa oder Nordamerika auswirkt und zu erheblichen Kosten führt.
... und Sanktionen
Auf den internationalen Markt Russlands, der Ukraine, Weissrusslands und Moldawiens zusammengenommen entfielen im Jahr 2021 2,3 % des weltweiten Flugverkehrs. Knapp 1 % des weltweiten Frachtverkehrs hat seinen Ursprung in Russland und der Ukraine oder wird durch diese beiden Länder abgewickelt. Grössere Auswirkungen erwartet die IATA in ihrer Prognose im spezialisierten Bereich der Schwergüter, wo Russland und die Ukraine Marktführer sind und der entsprechende Kapazitätsverlust nur schwer zu ersetzen sein wird. Etwa 19 % der internationalen Frachtsendungen (CTKs) werden durch den russischen Luftraum befördert (Daten für 2021). Die von den Sanktionen betroffenen Spediteure müssen mit höheren Kosten für die Umleitung rechnen.
Prognosen für die Regionen
Die IATA erwartet, dass sich die finanzielle Leistung in allen Regionen im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 verbessern wird. Nordamerika wird voraussichtlich weiterhin die leistungsstärkste Region sein und als einzige Region bereits in diesem Jahr in die Gewinnzone zurückkehren.
Der Russland-Ukraine-Krieg störe das Reiseverhalten innerhalb Europas und zwischen Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum zwar weiterhin. Es werde jedoch nicht erwartet, dass der Krieg den Aufschwung im Reiseverkehr aufhalten wird, da sich die Region mit einem prognostizierten Nettoverlust von 3,9 Mrd. USD im Jahr 2022 der Rentabilität nähert. Die Nachfrage (RPKs) wird voraussichtlich 82,7 % des Vorkrisenniveaus (2019) erreichen, die Kapazität 90,0 %.
Für die Fluggesellschaften im asiatisch-pazifischen Raum haben strenge und anhaltende Reisebeschränkungen (vor allem in China) sowie eine ungleichmässige Einführung von Impfstoffen dazu geführt, dass die Region bei der Erholung bisher zurückgeblieben ist. Da die Beschränkungen abnehmen, wird erwartet, dass die Reisenachfrage schnell ansteigt.
Das Verkehrsaufkommen in Lateinamerika hat sich 2021 kräftig erholt, unterstützt durch die Binnenmärkte und relativ weniger Reisebeschränkungen in vielen Ländern. Die finanziellen Aussichten für einige Fluggesellschaften bleiben jedoch fragil, und es wird erwartet, dass die Region in diesem Jahr einen Nettoverlust von 3,2 Mrd. USD verzeichnen wird. Die Nachfrage wird voraussichtlich 94,2 % des Vorkrisenniveaus (2019) erreichen, die Kapazität 93,2 %.
Im Nahen Osten wird die diesjährige Wiedereröffnung von internationalen Strecken und insbesondere von Langstreckenflügen für viele einen willkommenen Aufschwung bedeuten. Für die gesamte Region wird erwartet, dass sich die Nettoverluste von 4,7 Mrd. USD im letzten Jahr auf 1,9 Mrd. USD im Jahr 2022 verringern werden. Die Nachfrage (RPKs) wird voraussichtlich 79,1 % des Vorkrisenniveaus (2019) erreichen, die Kapazität 80,5 %.
In Afrika haben die niedrigeren Impfraten die Erholung des Luftverkehrs in der Region bisher gedämpft. In diesem Jahr ist jedoch mit einem gewissen Aufholprozess zu rechnen, der zu einer verbesserten finanziellen Leistung beitragen wird.