Bis zur Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs ab 1992 waren Flugreisen teuer. Ob mit Swissair oder Iberia: Ein Ticket für einen Linienflug von Zürich nach Palma de Mallorca in der Economy-Klasse kostete um die 600 Schweizer Franken. Charterflüge waren meist nur im Reisebüro und in Zusammenhang mit einem Pauschalarrangement zu bekommen. Wer individuell reisen wollte, zahlte viel Geld. Dafür gehörte der Essens- und Getränkeservice mit Porzellangeschirr und Edelstahl-Besteck auf 11'000 m über Meer mit zum Erlebnis. Nachfolgende Generationen waren bereit, darauf zu verzichten für einen günstigeren Flugpreis, der ihnen häufigeres Reisen ermöglichte. Dem leistete die Liberalisierung des Luftverkehrs in Europa einen Vorschub. Nun konnten die Fluggesellschaften ihre Preise frei gestalten.
Nicht in jedem Fall günstig
1993 hatte der irische Geschäftsmann Micheal O'Leary die regional tätige Ryanair übernommen. Die 1984 gegründete Fluggesellschaft war bis dahin nie erfolgreich gewesen. O'Leary setzte von Anfang an auf Billigflüge und im Rahmen der Marktliberalisierung auch auf Standorte im Ausland.
Stelios Haji-Ioannou gründete 1995 easyJet. Das Konzept: Vergleichsweise sehr günstige Tickets. Dafür muss für jede Leistung und vor allem die Beförderung von Gepäck separat bezahlt werden. Nur zahlen, was man braucht ist fair, allerdings färbte dies ab. Ab den Nullerjahren begannen auch andere Fluggesellschaften mehr und mehr für jedes Kilogramm zuviel im Koffer viel Geld zu verlangen und die Masse bei Handgepäckstücken zu verkleinern.
Günstige Linienfluggesellschaft mit Ambitionen
Air Berlin wurde Ende 1970er-Jahre als Charter Fluggesellschaft gegründet.1998 führte die Gesellschaft den Einzeplatzverkauf ein und stieg mit moderaten Preisen ins Liniengeschäft ein. So positionierte sie sich in der Kundenwahrnehmung zwischen Charter, Low-Cost-Carrier und Liniengesellschaft. Das Konzept schien aufzugehen. Anfang der Nullerjahre wuchs sie zur zweitgrössten Airline Deutschlands. Das verführte den Vorstand zu weiteren mutigen Schritten. Einstieg in die Langstrecke, supergünstige Tickets für Frühbucher und eingegangene Verpflichtungen, die für Verluste sorgten, liessen die Gesellschaft zu Boden gehen.
Zwanzig Jahre für 30 Prozent
Es dauerte einen Moment, bis das Angebot der Low-Cost-Carrier angenommen wurde. Wie Eurocontrol ermittelt hat, lag der relative Anteil des LCC-Marktsegments in Europa 1998 bei nahezu Null. Im Laufe der Zeit gewannen die Fluggäste das Vertrauen in die neuen Fluganbieter und Gefallen am Modell, das so manchen Kurztrip mehr in Metropolen oder ans Meer ermöglichte. Im Jahr 2018 betrug der Marktanteil der LCC bereits 30,3 %, was 9’100 durchschnittlichen täglichen Flügen entspricht.
Moderne Flotten Punkt-zu-Punkt-Dienste
Um niedrige Betriebskosten pro Passagier und eine hohe Produktivität der Flugzeuge zu erreichen, bieten LLC typischerweise Punkt-zu-Punkt-Dienste auf Kurzstrecken mit einer Flotte von nur einem Flugzeugtyp (beispielsweise Boeing B737 oder Airbus A320) an. Mit einem starken Fokus betreiben viele LCCs eine moderne und treibstoffeffiziente Flotte mit einem vergleichsweise niedrigen Treibstoffverbrauch pro Passagierkilometer und geringeren CO2-Emissionen.
Aufstrebende Märkte in Mittel- und Osteuropa
Zu Beginn konzentrierte sich das Wachstum der LCCs auf Westeuropa, doch mit der Erweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004 expandierten die LCCs schrittweise nach Mittel- und Osteuropa und förderten ein starkes Wachstum in diesen aufstrebenden Märkten. Obwohl einige LCCs begonnen haben, auf grossen europäischen Drehkreuzflughäfen zu operieren, weichen sie eher auf weniger überlastete Sekundärflughäfen aus. Sie können sich relativ kurzfristig für den Eintritt in neue Märkte oder deren Verlassen entscheiden.
Agiler während der Pandemie
Mit den Reisebeschränkungen, die zu Beginn der COVID-19-Pandemie Anfang 2020 verhängt wurden, war der gesamte Passagierverkehr besonders hart getroffen. Die LCCs reagierten schnell auf Nachfrageschwankungen, indem sie ihre Flüge stärker einschränkten, sich aber auch schneller wieder erholten.
Anteile gewonnen
In den Monaten Januar bis September wuchs das LCC-Segment von 31,9 % im Jahr 2019 auf 32,5 % im Jahr 2022. Vor allem Ryanair und Wizz Air nutzten die hohe Nachfrage nach innereuropäischem Freizeitverkehr und weiteten ihren Betrieb auf 109% bzw. 112 % ihres jeweiligen Niveaus von 2019 aus.
Gewinnerin
Mit durchschnittlich 2584 täglichen Flügen, hat Ryanair in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 mehr Flüge in Europa durchgeführt als jede andere Fluggesellschaft. Dies entspricht 10,1 % aller Flüge in Europa. Obwohl andere Fluggesellschaften wahrscheinlich ihren Marktanteil im Jahr 2023 zurückgewinnen werden, ist es wahrscheinlich, dass das LCC-Segment sein Wachstum in den kommenden Jahren fortsetzen wird.