Drei Jahre nach der letzten AERO findet die Luftfahrtmesse in Friedrichshafen endlich wieder statt. Ein klar zu erkennender Trend sind Elektroflugzeuge. Es gibt sie als Ultraleichtflugzeuge, Motorsegler oder Trainingsflugzeuge. Ihre Hersteller spüren derzeit Aufwind. Das liegt an leisen Triebwerken und ihrem stark CO2-reduzierten Betrieb, aber auch an einem ganz profanen Grund: Der verbleite Flugzeugsprit Avgas ist durch den Ukraine-Krieg merklich teurer geworden. 

Noch sind Elektro-Flugzeuge in der Schweiz deutlich seltener im Einsatz wie vergleichbare Maschinen mit Verbrennungsmotor. Denn in der Luftfahrt sind die Stückzahlen klein, die Zulassung der elektrischen Antriebstechnik und der Akkus ist kostspielig. Vor allem fehlt es bisher an Reichweite und Lade-Infrastruktur. Reichweitenangst ist bei Piloten deutlich ausgeprägter als bei Autofahrern.

Textron kauft Pipistrel

Sehr geeignet sind Elektroflugzeuge für Flugschüler zum Üben von Platzrunden. Sie sind deutlich leiser als Maschinen mit Kolbenmotoren und daher anrainerfreundlich. Derzeit ist die slowenische Firma Pipistrel ist in diesem Bereich Weltmarktführer, denn sie hat das bisher einzige von der EASA zugelassene Elektroflugzeug im Programm, den Velis Electro. Wohl genau deshalb gab es sechs Wochen vor der AERO einen Paukenschlag in der Branche: Der amerikanische Luftfahrtkonzern Textron, Muttergesellschaft so bekannter Marken wie Cessna, Beechcraft oder Bell Helikopter, hat mit Pipistrel eine Vereinbarung zum Kauf des slowenischen Flugzeugherstellers abgeschlossen. Damit soll das weltweite Vertriebsnetz von Textron der Verbreitung des Elektroflugzeugs helfen. Umgekehrt haben die Amerikaner nun auch einen Fuss in der Türe des Zukunftsmarkts Elektroflug.

Senkrecht startendes Ultraleichtflugzeug

Die eMagicOne ist ein senkrechtstartfähiges Ultraleichtflugzeug. Konstrukteur Michael Kügelgen leitet seit vielen Jahren sein eigenes Ingenieurbüro im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen und ist Flugzeug- sowie Helikopterpilot. Er hat sich mit der eMagicOne seinen persönlichen Traum vom elektrischen Senkrechtstarter erfüllt. Die Maschine kann vertikal abheben, wie ein Flugzeug horizontal fliegen und entweder konventionell auf einer Landebahn aufsetzen oder im Senkrechtflug landen. Die Flugerprobung hat schon begonnen.

Eher konventionell im Vergleich ist die erstmals gezeigte Electra Trainer, ein zweisitziges Schulflugzeug im Motorsegler-Look. Sogar ein Wasserstoff-elektrisches Experimentalflugzeug ist auf der AERO zu sehen und aus eigener Kraft vom Heimatstandort Stuttgart zur Messe geflogen. Mit dem doppelrümpfigen Viersitzer HY4 soll erforscht werden, wie Wasserstoff in der Luftfahrt CO2-neutral genutzt werden kann.

Europa bis 600 kg

Ultraleichte Luftfahrzeuge sind in Europa ähnlich wie Ecolights in der Schweiz seit vielen Jahren gefragt. Zu ihnen zählen ein- oder zweisitzige Propellermaschinen, Tragschrauber oder Helikopter. Bisher fliegen sie allerdings noch fast ausschliesslich mit Kolben- statt Elektromotor. Ihre frühere Gemeinsamkeit: Sie durften beim Start nicht schwerer als 472 Kilo sein. Seit kurzem gibt es sie in Europa aber auch in einer höheren Gewichtsklasse bis 600 Kilogramm Abfluggewicht.

Diese neue Regel ermöglicht den Herstellern mehr Flexibilität. Die in Widnau domizilierte Junkers Flugzeugwerke AG zeigt deshalb gleich zwei Flugzeug-Premieren. Sie präsentiert den Nachbau eines Flugzeugs, das bereits vor rund 90 Jahren abhob: die A50 Junior von Junkers. 69 Exemplare des Zweisitzers mit der Junkers-typischen Wellblech-Aussenhaut wurden in den 1930er-Jahren gebaut. Der Pilot sitzt wie beim Original hinter dem Passagier im offenen Cockpit. Ein Rotax mit 100 PS sorgt für den Vortrieb, ein Gesamtrettungssystem ist ebenfalls eingebaut. Zur Überraschung vieler Messebesucher präsentierte Junkers eine zweite Version des Junior, die A60. In dieser sitzen Pilot und Passagier sidebyside und nicht hintereinander. Zwei wechselbare Kabinenhauben ermöglichen es, im Sommer mit offenem Cockpit oder im Winter mit geschlossener Haube zu fliegen. Ausserdem gibt es ein Dreibein-Einziehfahrwerk.

Eine Trendwende? 

Das andere Extrem zur nostalgischen Junkers ist die neue VL-3 vom belgischen Hersteller JMB Aircraft auf der AERO. Im Tiefdecker steckt erstmals in einem Ultraleichtflugzeug eine französische Propellerturbine anstelle eines Kolbenmotors. Das könnte eine Trendwende einläuten. Denn eine Turbine ist zuverlässiger und laufruhiger als ein konventionelles Triebwerk. Zudem läuft sie mit dem überall verfügbaren Kerosin. Ob die Zulassungsstellen eine bislang nicht erlaubte Propellerturbine im Ultraleichtflugzeug akzeptieren muss sich erst noch herausstellen. 

Ecolights sind teurer geworden

Die Lightwing AG aus Stans zeigte auf der Messe ebenfalls ihr 600-Kilo-UL mit eingebautem Rettungssystem. Allerdings zeigt sich auch ein negativer Trend bei den Ultraleichtflugzeugen oder vergleichbar den Schweizer Ecolights: Galten sie früher als preiswerte Alternative zu Cessna, Piper und Co gilt das heute nur noch eingeschränkt. Vor etwa zehn Jahren waren 100’000 Franken noch eine Art Obergrenze für den Erwerb eines Ecolights. Heute ist dies eher der Einstiegspreis. Ein neues mit Einziehfahrwerk, Verstellpropeller und modernster Avionik ausgestattetes Ultraleichtflugzeug von TL-Ultralight aus Tschechien des Typs Sparker klettert auf der AERO 2022 sogar erstmals über die 300'000-Franken-Schwelle. Immerhin gibts dafür auch eine Topspeed von mehr als 300 km/h.

Geschäftsreiseflugzeuge

Ein weiterer Bereich auf der AERO mit erstaunlich guten Verkaufszahlen sind die Geschäftsreiseflugzeuge. Die Betreiber von Geschäftsreiseflugzeugen haben die Krise der Luftfahrt während Corona deutlich besser überstanden wie die Fluggesellschaften und teilweise sogar einen regelrechten Boom erlebt. Da etliche Linienverbindungen ausfielen, konnten viele Anbieter von Businessjets diese entstandenen Lücken im weltweiten Flugnetz mit ihren Maschinen ersetzen. Deshalb ist der Gebrauchtmarkt für Businessjets und selbst für langsamere Turboprop-Maschinen derzeit wie leergefegt. Denn der Anteil der Business Aviation am gesamten zivilen Flugaufkommen hat sich in nur zwei Jahren von 2019 bis 2021 nahezu verdoppelt. Kein Wunder, dass die Vertreter von Herstellern dieser Jets am Bodensee mehr als nur zufrieden sind. 

«Autland» – vollautomatisch landen

Auch Hersteller einmotoriger Turboprops profitieren auf der AERO von diesem Boom. Das nagelneue Flaggschiff vom französischen Flugzeugbauer Daher, die TBM 960, oder die Piper M 600 SLS haben neu ein besonderes Sicherheitsfeature an Bord: Diese Flugzeuge landen im Notfall automatisch auf dem nächsten geeigneten Flugplatz. Autoland nennt sich dieses System. Es bedingt aber, dass im Flugzeug Garmin-Avionik eingebaut ist. Dazu gibt es einen Knopf im Cockpit. Fällt der Pilot etwa durch Bewusstlosigkeit, Herzinfarkt oder Ähnliches aus, drückt der Mitflieger auf diesen Notfallknopf. Die Avionik ermittelt nun den nächsten geeigneten Flugplatz für eine GPS-basierte Landung in Abhängigkeit vom Spritvorrat an Bord. Der Autopilot fliegt die Maschine selbständig dorthin und landet sie vollautomatisch. 

Ju 52 soll neu gebaut werden

Eine freudige Nachricht gibt es für die Liebhaber der Ju 52. Das legendäre Flugzeug soll nach dem bewährten Konzept der Junker Flugzeugwerke AG neu gebaut werden. Dies unter Verwendung der bewährten Grundlagen der historischen Ju52. Das verkündet das Unternehmen anlässlich seiner Präsenz an der AERO Friedrichshafen. Angepasst an die heutigen Standards wird eine Leichtbauweise und Struktur verwendet und modernste Avionik von GARMIN eingebaut. Die Ju 52 NG soll mit Autopilot, TCAS I, Geländewarnung der Klasse A und satellitengestützte Wetterinformationen ausgerüstet werden. Brandneue RED-Motoren mit je 550 PS und einem Kraftstoffverbrauch von 77 l pro Triebwerk sollen für ein Höchstmass an Sicherheit und Zuverlässigkeit sorgen.