Sie fürchtete weder Tod noch Teufel, Männer schon gar nicht, und auch sonst war sie in jeder Lebenslage eine Draufgängerin. Die Rede ist Jean Batten, der «Garbo der Lüfte», wie die glamouröse Flugpionierin in den 1930er Jahren tituliert wurde.
Jean wer? Hierzulande kennt kaum jemand die neuseeländische Nationalheldin, die in ihrer Glanzzeit zu den weltweit bekanntesten Frauen der Welt zählte, und unter anderem auch Namensgeberin des internationalen Flughafens von Auckland ist, der grössten Stadt Neuseelands.
Die Sehnsucht nach dem Fliegen
Jean Gardner Batten erblickte 1909 im neuseeländischen Rotorua das Licht der Welt. Biographen berichteten, dass ihre Mutter Ellen einen Zeitungsausschnitt neben die Wiege des Säuglings heftete. Der Artikel enthielt einen Bericht über den französischen Piloten Louis Blériot. Dieser hatte wenige Wochen zuvor als erster Mensch den Ärmelkanal überflogen.
Die kleine Jean liebte die Natur, Pflanzen und Tiere. Ihre Eltern achteten darauf, dass sich ihre Tochter viel in der freien Natur aufhielt. Ausserdem förderten sie ihre musikalische Begabung. Als Jean vier Jahre alt war, zog ihre Familie 1913 mit ihr nach Auckland. Mit fünf Jahren ging sie im Stadtteil Parnell zur Schule. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat der Vater von Jean in die Britische Armee ein und wurde in Europa stationiert. Die in Europa vom Vater geschriebenen und nach Neuseeland geschickten Karten und Briefe sollen bei seiner Tochter ein unstillbares Fernweh geweckt haben. Ferne Länder und Reisen spielten fortan in ihrer kindlichen Fantasie eine wichtige Rolle. Deswegen las sie gerne Abenteuergeschichten und Reiseberichte sowie im Alter von zehn Jahren auch die Berichte über die Brüder Keith und Ross Smith, die 1919 die erste Flugreise von Australien nach England unternommen hatten.
Klavier gegen Flugstunden
Eines Tages überredete Jean Batten ihren Vater dazu, mit ihr zu einem festlichen Abendessen in Auckland zu gehen, bei dem der berühmte australische Flugpionier Kingsford Smith der Ehrengast war. Bei dieser Gelegenheit erklärte Jean dem Flieger und ihrem Vater, dass sie fliegen lernen wollte. Der Vater war von diesem Wunsch seiner Tochter gar nicht begeistert, weil dies zu gefährlich sei. Darauf verkaufte Jean ihr Klavier, um ihre Flugausbildung finanzieren zu können. Danach gewann sie nach vielen Diskussionen ihre Mutter dafür, mit ihr 1930 nach England zu reisen, um dort eine Flugschule zu besuchen.
Flugstunden bei London Aeroplane Club
Angetan von sehr preisgünstigen Tarifen trat Jean Batten auf dem Flugplatz Stag Lane als Mitglied ein und lernte dort das Fliegen. Bald machte die 21-Jährige ihren ersten Alleinflug für ihren A-Schein als Privatpilotin. Voller Elan suchte die frischgebackene Pilotin nach Geld- Gebern, die ihr ein Flugzeug und einen Langstreckenflug von England nach Australien finanzieren sollten. Doch sie stiess bei Firmen und Zeitungen auf taube Ohren. Deshalb reiste sie nach Neuseeland zurück und erhoffte sich dort bessere Chancen. Ihre Eltern betrachteten ihr Vorhaben als Hirngespinst und baten sie, davon Abstand zu nehmen. Unbeirrt davon kehrte Jean Batten nach London zurück.
Jean umgarnte die Männer
Die Männerwelt lag der jungen Frau regelrecht zu Füssen. Die Pilotin beherrschte neben der Fliegerei auch die Kunst der Verführung. Sie brach viele Herzen, denn am Ende heiratete sie keinen einzigen ihrer Verehrer. In London verliebte sich der neuseeländische Pilot Fred Truman in Jean und wollte sie heiraten. Er gab ihr grosszügig seine gesamten Ersparnisse von 500 Pfund, die Jean für den Erwerb des B-Scheins für Verkehrspiloten benötigte. Jean wurde Flugzeugmechanikerin, studierte Meteorologie und meisterte eine Teilprüfung nach der anderen. 1932 erwarb sie den B-Schein, danach sah Fred Truman weder Jean noch sein Geld wieder!
Später lernte Jean Batten den jungen Engländer Victor Dorée kennen. Er gab ihr 400 Pfund Sterling, die er von seiner Mutter geliehen hatte, zum Kauf eines gebrauchten Flugzeuges des Typs «De Havilland Gipsy Moth DH-60». Bedingung war, dass sie sich vertraglich verpflichtete, nach einem erfolgreichen Langstreckenflug eine Vortragsreise durch Australien zu machen und ihrem Teilhaber die Hälfte der Einnahmen abzutreten. Der erste Flug nach Australien endete in Pakistan, da eine Pleuelstange das Kurbelwellengehäuse durchbrach. Ihre Rückreise finanzierte der Ölmagnat Charles Wakefield, was Jean nicht davon abhielt, Victor Dorée zu bitten, wieder eine Moth zu kaufen, was dieser ablehnte. Charles Wakefield sprang ein, der von Jean’s Mut und Glamour beeindruckt war. Doch auch die zweite Moth wurde bei einer Notlandung in der Nähe von Rom beschädigt. Erst beim dritten Versuch klappte es endlich.
Weltrekorde als Langstreckenfliegerin
Jean Batten stand der Sinn vor allem danach, als Langstreckenfliegerin Weltrekorde aufzustellen. Für die damalige Zeit gelangen ihr schier unglaubliche Tollkühnheiten: Mit einem Doppeldecker vom Typ «Gipsy Moth» flog sie 1934 von England aus allein nach Australien. 14 Tage, 22 Stunden und 30 Minuten benötigte sie für den Flug um die halbe Welt. Es folgte, stets im Alleinflug, ein Rekord nach dem anderen: 1935 Australien-England in 17 Tagen, 15 Stunden; 1935, mit einer «Percival Gull», England-Brasilien in 61 Stunden, 15 Minuten; 1936 England-Neuseeland in elf Tagen, 45 Minuten; 1937 Australien-England in fünf Tagen, 18 Stunden, 15 Minuten.
Am Ziel entstieg Jean Batten ihren Maschinen stets geschminkt und in einer tadellos weissen Fliegermontur! Wo sie hinkam, wurde sie mit Ehren überhäuft. Ihre Anwesenheit führte zu chaotischen Zusammenläufen. In Auckland löste ihre Ankunft 1936 einen Verkehrsstau von 20 Kilometer Länge aus! Der örtliche Maori-Häuptling verlieh ihr den Titel «Tochter des Himmels».
1935 konnte sich Jean Batten erstmals über die «Internationale Harmon Trophy» als «beste Fliegerin der Welt» freuen. Diese begehrte Trophäe erhielt sie auch 1936 und 1937.
Der zweite Weltkrieg beendete Jean’s Karriere
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bedeutete das Ende für ihre Zeit als Fliegerass. Zwar wurde sie zum Ehrenmitglied der Royal Air Force ernannt, und sie sammelte bei Werbe-Auftritten Spenden für die kämpfende Truppe, doch zum Einsatz kam die Pilotin nicht. Ihr Flugzeug wurde für den Kriegseinsatz der RAF beschlagnahmt. Zeitweise fuhr sie einen Krankenwagen, arbeitete drei Jahre lang am Fliessband einer Munitionsfabrik in Poole (Dorset). In dieser Zeit verliebte sie sich in einen Bomberpiloten der RAF, von dem nur der Vorname Richard bekannt ist. Offenbar wollten beide heiraten, aber Richard verlor bei einem Einsatz in Europa sein leben.
Nach dem Krieg wurde es ruhiger um Jean Batten. Mit ihrer Mutter lebte sie eine Zeit lang auf Jamaica, in England und auf den Kanaren. Zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter zog Jean Batten nach Mallorca. Sie mietete sich in einem grossen Wohnblock in Porto Pi ein. Wie schon auf den Kanaren vereinsamte die nunmehr alleinlebende Frau zusehends. Es war offenbar ein bewusster Schritt in die Zurückgezogenheit, und er wurde von ihren Angehörigen und Bekannten weitgehend respektiert. Jean Batten bestand darauf, in Ruhe gelassen zu werden.
Letzte Ruhestätte auf Palma de Mallorca
1977 kehrte sie noch einmal nach Neuseeland zurück, als Ehrengast, als das dortige Luftfahrtmuseum eröffnet wurde. Danach wurde es gänzlich still um Jean Batten. So still, dass der Verleger ihrer Autobiographie «My Life», erschienen 1938, sich zu sorgen begann. Schliesslich sandte er das Dokumentarfilmer-Ehepaar Ian und Caroline Mackersey nach Palma. Deren Recherchen von 1987 ergaben, dass Jean Batten bereits fünf Jahre zuvor gestorben war. Das Ende der einstigen Himmelsstürmerin war von erschreckend profaner Natur gewesen: Ein leichter Hundebiss, eine entzündete Wunde und eine 73-Jährige, die auf die Selbstheilungskräfte des Körpers vertraute und ärztliche Hilfe ablehnte!
Was auch immer bei den Behörden damals mit der Bekanntgabe des Todes übersehen wurde, offenbar ging die Meldung auf dem Behördenweg irgendwo verloren: Jean Batten wurde auf dem Friedhof in Palma in einem kommunalen Gemeinschaftsfeld für mittellos Verstorbene zur letzten Ruhe gebettet. Die exakte Lage in dem Massengrab ist somit nicht bekannt. Immerhin erinnert seit einigen Jahren eine Bronzetafel an die «Tochter des Himmels» vom anderen Ende der Welt. Und seit 2009 trägt eine Strasse in Palma den Namen «Jean Batten». Die damalige Bürgermeisterin Aina Calvo liess es sich nicht nehmen, persönlich die Marmortafel des Strassenschildes im Stadtteil Bonanova zu enthüllen.