Elly Beinhorn war schon als Kind eigenwillig. Am 30. Mai 1907 als einzige Tochter einer angesehenen Hannoveraner Kaufmannsfamilie geboren, träumte sie früh vom grossen Abenteuer. Im Urlaub mit ihren Eltern, erinnerte sie sich, habe sie aus jeder kleinen Sache eine Expedition gemacht. Vor allem Afrika und seine wilden Tiere faszinierten sie schon damals und sie träumte davon, allein dorthin zu reisen.
Mit 16 Jahren verliess Elly Beinhorn die Schule, arbeitete zunächst als Modell und Schwimmlehrerin, bis ein Vortrag des Fliegers Hauptmann Hermann Köhl, der als erster den Atlantik in Ost-West-Richtung überflogen hatte, ihre Neugier fürs Fliegen weckte. Von diesem Moment an wusste Elly Beinhorn, wie sie ihre Träume verwirklichen würde. Sie war nun entschlossen, in ein Flugzeug zu klettern und fliegen zu lernen. Doch zuvor musste sie ihre Eltern von der Richtigkeit dieses Entschlusses überzeugen.
Ein neuer Stern am Fliegerhimmel
Gegen alle Widerstände ihrer Eltern – schon die Tatsache, dass sie Auto fuhr, galt zu jener Zeit als etwas Unerhörtes – ging sie 1929 nach Berlin und machte innerhalb weniger Wochen in Berlin den «A»-Schein für Motorflieger. Später kaufte sie auf Raten ihr erstes eigenes Flugzeug, eine Messerschmitt M23b. Als die junge Fliegerin dann feststellte, wie teuer das Fliegen war, sah sie sich nach Verdienstquellen um. Vorerst machte sie den Kunstflugschein, flog nach Leipzig, Breslau, Dessau und Königsberg, wo sie Ernst Udet traf, der als zeichenbegabter Kunstflieger von ihr ein Bild kreierte und darunter schrieb: «Elly Beinhorn, der neue Stern am weiblichen Fliegerhimmel!»
Dann traf sie mit der Fliegerin Käthe Heidrich zusammen, beide wurden in Saarbrücken Reklamefliegerinnen für eine dort ansässige Firma. Der Flugplatzkommandant erhielt durch diese beiden Frauen seine ersten grauen Haare, denn die Vorführungen der wagemutigen Pilotinnen missfielen ihm. Er sagte ihnen: «Sorglos wird mein Leben erst wieder, wenn ihr beiden von hier für immer verschwindet!» Das war dann auch bald der Fall, als der österreichische Ethnologe Dr. Hugo Adolf Bernatzik einen Piloten nach Guinea suchte und sich dann ein E. Beinhorn meldete. Der Bewerber entpuppte sich zum Entsetzen des Ethnologen als junge hübsche Frau, trotzdem engagierte er sie!
Sehnsucht nach Abenteuer
Als die Expedition nach Afrika im Januar 1931 aufbrach, war Elly dabei – ohne Funk und Navigationssysteme. Nach siebzig Stunden und 7000 Kilometern erreichte sie ihr Ziel Bolama im heutigen Guinea-Bissau. Und das wäre dann auch beinahe ihr letzter Flug gewesen: Ein Ölrohrbruch auf dem Rückweg zwang sie zur Notlandung in der Wüste. Vier Tage blieb sie verschollen, bis sie nach einem 50-Kilometer-Fussmarsch erschöpft und krank Timbuktu erreichte! Als das erste Lebenszeichen per Telegraph aus in Deutschland eintraf, war Elly Beinhorn schlagartig berühmt. In einem neuen Flugzeug landete sie am 29. April 1931 unter dem Jubel Tausender von Menschen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin. Was sie mitbrachte von ihrer ersten Reise, war die Sehnsucht nach dem nächsten Abenteuer.
Allein um die Welt
Dank ihrer neugewonnen Berühmtheit fiel es Elly Beinhorn in den nächsten Jahren leichter, ihre Abenteuerlust zu befriedigen. Zahlreiche Firmen unterstützten ihre nächsten Flüge, mehr als vierzig Zeitungen wollten ihre Reiseberichte drucken. Und so konnte sie noch im selben Jahr, am 4. Dezember 1931, ihren historischen Flug um die Welt starten. Der 80-PS-Motor ihrer Klemm L 26 sollte sie bis nach Australien tragen. Es wurde eine abenteuerliche Reise: Auf dem Weg nach Bagdad fiel sie in einem starken Sturm beinahe aus der Maschine. Am Persischen Golf musste sie notlanden, in Bali wurde ein Freund von ihr von einem Raubfisch getötet. Trotzdem erreichte sie im April 1932 ihr vorläufiges Ziel Sydney. Von dort aus wurde die Klemm in Einzelteile zerlegt per Schiff nach Panama transportiert. Die Strecke über den Stillen Ozean wäre zu weit gewesen für das Leichtflugzeug.
Über Kolumbien und Chile kam sie – jetzt wieder fliegend – schliesslich nach rund 31'000 Kilometern nach Buenos Aires, von wo sie ein Schiff nach Deutschland zurückbrachte. Am 26. Juli 1932 traf sie stolz in Berlin ein: Sie hatte ihr Ziel, einmal allein um die Welt zu fliegen, erreicht.
Flüge nach Afrika, Asien, Süd- und Mittelamerika wurden für die Luftfahrtpionierin in den nächsten Jahren zur Selbstverständlichkeit. Die Strecke Berlin - Damaskus - Kairo - Athen - Budapest - Berlin absolvierte sie innert 24 Stunden.
Deutsches Traumpaar für zwei Jahre
1936 wurde Elly Beinhorn noch ein Stück berühmter, als sie den Mann kennen lernte, der 1935 auf Auto Union seinen ersten Weltrekord fuhr: den Autorennfahrer Bernd Rosemeyer. 1936 heirateten sie und wurden zum bewunderten Brautpaar des Jahres. Ihr Leben mit Bernd wurde die glücklichste Zeit der jungen Pilotin. Wenn Bernd seine Rennen fuhr, war sie immer dabei, und er wünschte ihr Glück, als sie zu ihren Flügen startete; er zählte die Stunden zwischen den Landungen. Die beiden wurden überall begeistert empfangen: Die Pilotin mit alle ihrem Charme, Können und Wissen und der Rennfahrer mit seinen wagemutigen Fahrkünsten – das Paar passte perfekt zusammen.
Am 28. Januar 1938 unternahm Bernd Rosemeyer auf der Autobahn einen neuen Weltrekordversuch. Dabei verlor er die Kontrolle, sein Rennwagen prallte in einen Brückenpfeiler und er starb auf der Stelle. Für Elly brach eine Welt zusammen. In dieser schrecklichen Zeit war es Bernds Vater, der sie eindringlich bat, weiter zu fliegen.
Am 20. April 1939 startete sie zu einem Flug nach Indien, Burma, Siam und in den Iran, von dem sie im Juni zurückkehrte. Zwei Monate später brach der Zweite Weltkrieg aus, die Sportfliegerei gab es nicht mehr.
Wieder fliegen nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Krieg war es deutschen Staatsbürgern vorerst verboten, zu fliegen. Als Elly Beinhorn 1948 den Segelflugplatz Klippeneck auf der Schwäbischen Alb besuchte, um die Segelflieger zu beobachten, bot ihr der französische Kommandant einen Flug über den von ihm geleiteten Platz an. Sie hatte zwar kaum Segelflugerfahrung (in Grunau hatte sie zuvor den C-Schein erworben), doch das Angebot konnte sie nicht ausschlagen, um nach sechs Jahren zum ersten Mal wieder fliegen zu können.
Unerwartetes Angebot aus Neuchâtel
Im Frühjahr 1951 bekam Beinhorn aus der Schweiz ein Angebot zur Charterung der HB-OAM, einer Piper J-3C-65/L-4H Cub mit 65 PS. Zusätzlich wurde ihr zugesichert, ihren Pilotenschein in der Schweiz erneuern zu dürfen, was in Deutschland immer noch verboten war. Ausgangspunkt ihrer Flüge war der Flugplatz Neuchâtel-Colombier, wo die Piper stand. Ihr erster Auftrag bestand darin, einen Reporter nach Rovigo in Italien zu bringen, der Fotos von Überschwemmungen machte. Anschliessend wurde sie nach Bengasi geschickt. So konnte Elly zum ersten Mal nach 14 Jahren wieder nach Afrika fliegen
Als in Deutschland das Fliegen wieder möglich wurde, erneuerte Elly Beinhorn auch ihre Kunstflugberechtigung. 1959 nahm sie am 13. Powder Puff Derby teil und gewann die Goldmedaille im europäischen Sternflug. 1963 wurde sie Erste in der Kategorie Damen beim Europaflug sowie Zweite beim Alpen-Sternflug. Starts und Ehrungen gab es in den folgenden Jahren, es folgten noch viele Rallyes, Elly war immer gut klassiert oder Siegerin. 1979 gab die damals 72-jährige ihren Pilotenschein freiwillig ab. Zuletzt lebte sie in einem Altersheim bei München, ihren 100. Geburtstag feierte sie dort am 30. Mai 2007 im kleinen Familienkreis, wobei man ihr noch einmal Gelegenheit gab, mit einem Flugzeug vom Flugplatz Oberschleissheim aus in die Lüfte zu steigen. Die Vereinigung Deutscher Pilotinnen (VDP), zu deren Gründungsmitgliedern sie 1968 zählte, ermöglichte den halbstündigen Rundflug über die Alpen.
Elly Beinhorn starb am 28. November 2007. Begraben ist sie in Berlin auf dem Waldfriedhof Dahlem neben Bernd Rosemeyer. Für viele ist Elly Beinhorn zum Vorbild geworden, als Fliegerin ebenso wie als Mensch.