Bessie war das zehnte von dreizehn Kindern ihrer als Farmpächter arbeitenden Eltern. Von Seiten ihres Vaters George Coleman hatte sie auch indianische Vorfahren. Ihre frühe Kindheit verbrachte sie unbeschwert auf der kleinen Farm ihrer Eltern, die Sonntage waren dem Kirchenbesuch gewidmet. Während ihre älteren Geschwister nach und nach Aufgaben bei der Feldarbeit übernahmen, fiel es Bessie zu, ihrer Mutter Susan Coleman im Haus, bei der Gartenarbeit und der Beaufsichtigung ihrer jüngeren Geschwister zu helfen.
Mit sechs Jahren begann sie die Schule zu besuchen; eine Schule ausschliesslich für schwarze Kinder, die aus nur einem Raum bestand. Bessie war eine sehr gute Schülerin, auch wenn ihre Eltern ihr oft keine Schulmaterialien wie Kreide oder Bleistifte kaufen konnten. Ihre Vorliebe gehörte dem Lesen und sie zeigte ein aussergewöhnliches Talent für Mathematik. Die Routine aus Schule, Hausarbeit und sonntäglichem Kirchenbesuch wurde nur durch die alljährliche Zeit der Baumwollernte unterbrochen, an der alle Familienmitglieder teilnahmen.
Bessie will Pilotin werden
Mit zwölf Jahren wurde Bessie Coleman in die Schule der Missionary Baptist Church aufgenommen, setzte ihre Ausbildung fort und schrieb sich nach ihrem 18. Geburtstag, unter Einsatz all ihrer Ersparnisse, an der Langston-Universität ein. Nach nur einem Semester waren allerdings ihre Mittel aufgebraucht. Sie musste das Studium abbrechen und kehrte nach Hause zurück.1915 folgte sie zweien ihrer Brüder nach Chicago und lebte bei ihnen. Gemeinsam mit ihnen arbeitete sie zunächst in einem Supermarkt und war Maniküre in einem Frisiersalon. Dort hörte sie die Geschichten von Piloten, die aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt waren, und malte sich aus, wie es wäre, selbst Pilotin zu sein.
Ihr Entschluss, Pilotin zu werden, stand fest. Doch da sie eine Frau und gleichzeitig Afroamerikanerin war, wurde sie von keiner Flugschule angenommen. Unterstützung erfuhr sie hingegen vor allem durch einige einflussreiche Mitglieder der schwarzen Gemeinde, die sie bei der Arbeit im Frisiersalon kennengelernt hatte. Robert S. Abbott, Gründer und Herausgeber des Chicago Defender, der bedeutendsten Wochenzeitung der Afroamerikaner in Chicago, und Jesse Binga, ein Immobilienhändler, unterstützten sie finanziell, und sie setzte sich im Gegenzug mit ihrer einnehmenden und lebhaften Persönlichkeit und ihrer Schönheit als Werbeträgerin für den Chicago Defender ein. Ihr Berufswunsch und die Ablehnung, die sie dabei erfuhr, wurden von Abbott auch immer wieder in seiner Zeitung thematisiert.
Pilotenausbildung in Frankreich
Bessie Coleman begann in der Berlitz Sprachschule Französisch-Kurse zu besuchen und reiste schliesslich am 20. November 1920 nach Frankreich, um dort ihre Pilotenausbildung zu absolvieren. Als einzige nicht-weisse Schülerin erlernte sie dort innerhalb eines Jahres das Fliegen.
Als sie im September 1921 in die USA zurückkehrte, stieg sie zu einer gefragten Interviewpartnerin für Zeitungen und Magazine auf und erhielt viel Anerkennung und Bewunderung sowohl von Schwarzen als auch von Weissen. Sie hatte es geschafft!
Im selben Jahr nahm sie in Long Island an ihrer ersten Flugschau teil. In der Folge war sie als Pilotin an Vorführungen in den ganzen USA beteiligt, wobei sie auch eine Reihe von Unfällen überstand! In Los Angeles brach sie sich am 22. Februar 1922 ein Bein und drei Rippen, als ihr Flugzeug versagte und sie abstürzte.
Engagement für Afroamerikaner
Als ihre Bekanntheit wuchs, wurde sie eingeladen, an der Verfilmung ihres Lebens mitzuwirken. Sie sagte zu, brach die Dreharbeiten aber letztlich ab, weil ihr die Darstellung der Schwarzen in dem Drehbuch zu klischeehaft war.
1922 war sie die erste Frau, die den internationalen Pilotenschein der Fédération Aéronautique Internationale erhielt. Ihr Ziel war es, die erste Flugschule der USA zu eröffnen, in der es auch Afroamerikanern, denen noch immer der Zugang zu den bestehenden Schulen verschlossen war, ermöglicht werden sollte, das Fliegen zu erlernen.
Als Stunt-Fliegerin erfolgreich
Auch erkannte Bessie Coleman rechtzeitig, dass es mehr brauchte, um den Lebensunterhalt zu verdienen: sie wollte Stunt-Fliegerin werden. Aber um in dieser hart-umkämpften Arena erfolgreich zu sein, brauchte sie fortgeschrittenen Unterricht.
Sie reise wieder nach Frankreich und absolvierte eine fliegerische Weiterbildung. Danach ging sie nach Holland, um Anthony Fokker, einen der damals renommiertesten Flugzeugdesigner der Welt zu treffen. Sie reiste auch nach Deutschland, wo sie die Fokker Firma besuchte und eine zusätzliche Ausbildung von einem der Chefpiloten des Unternehmens erhielt. Danach kehrte sie in die USA zurück, um ihre Karriere als Stunt-Pilotin zu starten. Sie flog hauptsächlich den Curtiss JN-4 «Jenny» Doppeldecker und andere überschüssige Flugzeuge der Armee. Ihre atemberaubende Flugvorführungen beeindruckten auf den Aerodromes die Zuschauer.
Ein Schraubenschlüssel führte zum Absturz
Im Frühjahr 1926 hatte Coleman in Dallas eine Curtiss JN-4 gekauft und die Maschine nach Jacksonville geflogen. Freunde und Familienangehörige rieten ihr ab, sie hielten das Flugzeug wegen schlechter Wartung für nicht sicher. Am 30. April bereitete Bessie sich dennoch gemeinsam mit ihrem Mechaniker und PR-Agenten William Wills, der am Steuer sass, auf eine Flugschau vor. Während des Fluges hatte Coleman ihren Sicherheitsgurt nicht angelegt, da sie für den nächsten Tag einen Fallschirmsprung plante und sich aus dem Cockpit lehnen wollte, um das Terrain zu überprüfen. Nach etwa zwölf Minuten gelang es Wills nicht, das Flugzeug aus einem Sturzflug wieder in die horizontale Lage zu bringen. Stattdessen geriet das Flugzeug ins Trudeln und stürzte ab. In einer Höhe von etwa 600 Metern wurde Coleman aus dem Cockpit geschleudert und starb beim Aufprall. Wills verlor beim Unfall ebenfalls sein Leben. Die Untersuchung des Wracks ergab, dass der Unfall wahrscheinlich auf einen Schraubenschlüssel zurückzuführen war, der versehentlich in der Steuerungsmechanik eingeklemmt war.
Bessie Coleman wurde auf dem Lincoln-Friedhof in Chicago beigesetzt. Zu ihrem Begräbnis kamen rund 10'000 Menschen, darunter viele prominente Mitglieder der schwarzen Gemeinde, wie die Bürgerrechtlerin Ida B. Wells.
Posthume Auszeichnungen und Ehrungen
Als erste afroamerikanische Pilotin wurde Bessie Coleman postum vielfach ausgezeichnet. 1931 flog eine Gruppe schwarzer Piloten zum ersten Mal ihr zu Ehren über ihr Grab; eine Tradition, die später alljährlich wiederholt wurde.
1955 erschien ihr Porträt auf einer Briefmarke des United States Postal Service und 1977 wurde der Bessie Coleman Aviators Club schwarzer Piloten gegründet. Der internationale Terminal des O’Hare International Airport in Chicago liegt am Bessie Coleman Drive. Der Jazz-Saxofonist Johnny Hodges nahm 1940 das von ihm geschriebene Stück Good Queen Bess auf. 2006 wurde sie in die National Aviation Hall of Fame aufgenommen. Im Konversionsgebiet Gateway Gardens nahe dem Flughafen Frankfurt am Main ist eine Strasse nach ihr benannt.