Im Atelier von Melli Beese wurde gehämmert und genietet. Im Hof der stand ein Ungetüm aus Draht, Holz und Blech, das die Künstlerin bearbeitete. Ein Flugzeug sollte entstehen, kritisch beäugt von Jugendlichen, die sich bereits einig waren: «Das Ding fliegt nie», sagten sie. Eine Freundin meinte: «Du bist als moderne Künstlerin mit eigenem Atelier genug verschrien, wenn Du nun auch noch Flugzeuge baust, werden meine Eltern mir verbieten, Dich wieder zu treffen.» Melli Beese strich sich das Haar aus der Stirn: «Mit dem Flugzeugbau wird es wohl nichts, Theorie ist nutzlos, ich muss fliegen lernen.»
«Weiber taugen nicht für die Fliegerei»
Um sich auf die von ihr angestrebten Fliegerausbildung vorzubereiten, schrieb sich Melli 1910 am Polytechnikum Dresden ein. Sie hörte Vorlesungen in Mathematik, Schiffsbau sowie Flugtechnik und -mechanik. Noch im gleichen Jahr suchte sie auf dem Flugplatz Johannisthal bei Berlin einen Fluglehrer. Bei der «Flugmaschine Wright GmbH» hatte bereits die Ballonfahrerin Käthe Paulus Flugstunden genommen, ihr Fluglehrer Paul Engelhard weigerte sich jedoch, nochmal eine Frau zu unterrichten. Als Melli Beese vor ihm stand, ganz in einen Fellmantel gehüllt, die Fellkapuze auf dem Kopf, mit Stiefeln, die ihr bis zu den Knieen reichte, sagte Engelhard in grobem Ton: «Weiber taugen nicht für die Fliegerei».
Erst nach mehreren Versuchen wurde sie bei der Ad Astra Fluggesellschaft als weibliche Schülerin angenommen, Fluglehrer Robert Thelen erklärte sich trotz Vorurteilen bereit, Melli das Fliegen beizubringen.
Neider unter den männlichen Flugkameraden
Schwere Probleme bereiteten der jungen Flugaspirantin ihre Flugkameraden, die in ihr eine unwillkommene Konkurrentin sahen und zu verhindern versuchten, dass sie fliegen lernen konnte. Bei ihrem zweiten Flug im Dezember 1910 setzte der Motor aus, die Maschine stürzte aus 20 Metern Höhe zu Boden und Melli Beese brach sich den Knöchel. Gegen die Schmerzen wurde sie mit Morphin behandelt, was eine lebenslange Sucht auslöste.
Im Januar 1911 kehrte Beese nach Johannisthal zurück. Für den als abergläubisch geltenden Robert Thelen war ihre Bruchlandung der Beweis, dass «Frauen im Flugzeug eben Unglück bringen», und er weigerte sich, sie weiter zu unterrichten.
Im Mai 1911 unterschrieb Beese einen neuen Schulungsvertrag bei den Rumpler-Werken. Hellmuth Hirth, der Fluglehrer, war von der Idee wenig begeistert, gab jedoch dem Druck der Rumpler-Direktion nach, die sich durch eine weibliche Werkspilotin einiges an Publicity versprach. Doch Beese hatte stets mit der negativen Einstellung des Fluglehrers zu kämpfen.
Sabotage am Benzintank
Ohne ausreichende Flugerfahrung meldete sich Melli Beese schliesslich ein erstes Mal zur Prüfung an. Das Flugzeugführerzeugnis des Vereins des Deutschen Luftfahrtverbandes DLV war nötig, um an Wettflügen teilnehmen zu können. Die Prüfung bestand aus drei geschlossenen Rundflügen von mindestens fünf Kilometern Länge. Beeses Prüfungsflug endete fast mit einem Unfall, denn kaum war sie in der Luft, setzte der Motor aus. Sie leitete sofort die Landung ein und musste feststellen, dass der Benzintank sabotiert worden und das Benzin ausgelaufen war. Sie berichtete den Vorfall jedoch nicht, er wurde erst in ihrer Autobiographie erwähnt.
Am 13. September 1911, ihrem 25. Geburtstag, stieg sie in den frühen Morgenstunden mit der Rumpler-Taube auf und flog die vorgeschriebenen Runden und Figuren. Bevor die anderen Flugschüler auf dem Flugplatz eintrafen, hielt sie bereits als erste Frau Deutschlands die Flugzeugführerlizenz Nummer 115 in ihren Händen.
Johannisthal Flugtage
Kaum war Melli Beese im Besitz der Flug-Lizenz, meldete sie sich für die Johannisthal Flugtage an. Sie wollte sich mit den Flugkünstlern messen, deren Namen bereits in aller Munde waren. Als sie am ersten Flugtag mit einigen anderen Fliegern zu einem Dauerflug aufstieg, riefen die Jugendlichen, die die Frau mit dem zottigen Fellmantel mochten, ihr zu: «Die Beese Melli kommt!» Und sie drohte ihnen wie immer mit der Faust, was die Knirpse zu wahren Lachsalven hinriss. Dann kletterte sie in ihr Flugzeug– eine Taube – und startete. Schnell gewann ihre Maschine an Höhe, und nun erlebten die Berliner und die angereisten Flugenthusiasten, was perfektes Fliegen bedeutete. Melli Beese demonstrierte es in Vollendung, ihre Kehren und Drehungen wirken wie mit dem Zirkel konstruiert. Sie liess ihre Taube steigen und fallen und wieder steigen. Sie stieg höher und höher, für die Zuschauer sah es aus, als tanzte sie, als sei sie eine Schneeflocke oder eine Schwalbe, die ihre Luftkünste zeigte.
Die Menschen realisierten, dass dort oben jemand flog, der eins geworden war mit der Maschine. Nach über zwei Stunden landete Melli Beese und hatte den Frauenrekord im Dauerfliegen errungen. Später flog sie weitere Höhenrekorde und Dauerleistungen und zeigte, dass Frauen sehr gute Fliegerinnen waren.
Dass sie nicht nur hübsch, sondern auch eine hervorragende Pilotin war, ausserdem eloquent und durch und durch künstlerisch begabt, das erfuhren alle Männer, die eher skeptisch die Leistungen der jungen Pilotin beurteilten, dann aber ihre Meinungen rasch änderten.
Idol der Berliner Jugend
Melli Beese wurde das Idol der Berliner Jugend. Dies bemerkte auch der junge Franzose Charles Boutard, der nach Johannisthal kam, um das Fliegen zu erlernen, und dabei auch die Frau seines Lebens fand: die Auserwählte war Melli Beese. Sie verliebten sich, flogen dann miteinander um die Wette. Als Charles bei einem Flug abstürzte und infolge eines zerschmetterten Beins nicht mehr fliegen konnte, gründete er in Johannisthal eine Flugschule, um in Nellis Nähe bleiben zu können. Melli wurde seine Teilhaberin und wenig später heirateten sie.
Dann machte Melli Beese auch ihren zweiten Traum wahr: zusammen mit Charles gründete sie eine Flugzeugfabrik. Dieses Glück wurde jedoch bald getrübt, und zwar von aussen. Während Melli nämlich damit rechnete, aufgrund ihrer fliegerischen Leistungen in der Deutschen Nationalflugspende berücksichtigt zu werden und darin die Chance für neue fliegerische Leistungen sah, wurde sie übergangen – mit der Begründung, dass ihr Mann Franzose war!
Der Erste Weltkrieg beendet die Karriere von Melli Beese
Der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 markierte den Anfang vom Ende der Karriere der erfolgreichen Flugpionierin. Nachdem Melli Beese die französische Staatsangehörigkeit angenommen hatte, galten sie und ihr Mann als unerwünschte Personen in Deutschland. Das Ehepaar verlor die erfolgreiche Flugschule, Lehr- und Geschäftserlaubnis wurden ihnen entzogen.
Nach Kriegsende stand das Paar vor dem finanziellen Ruin. Mit ihrem Mann plante sie ein neues Projekt: ein Flug um die Welt. Bei einem Probeflug in Berlin-Staaken für die Fluglizenz, die sie neu erwerben musste, stürzte Beese ab und überlebte unverletzt. In dieser Zeit zerbrach auch ihre Ehe mit Charles Boutard.
Am 21. Dezember 1925 nahm sich Melli Beese, die sensible Künstlerin und äusserst talentierte Pilotin, im Alter von 39 Jahren das Leben. Zuvor hatte sie noch notiert: «Fliegen ist notwendig, Leben nicht». Seit 1986 erinnert in Dresden eine Gedenktafel am Geburtshaus an Melli Beese, zudem trägt eine Strasse ihren Namen.
Die Welt ist voller Wunder! – Grundschule in Dresden auf den Spuren von Melli Beese
Forschen und Entdecken sind für Kinder beliebte und erfolgreiche Varianten, sich Wissen anzueignen. Die Suche nach Antworten auf Forschungsfragen lässt Kinder ausprobieren, analysieren und lernen. Die Melli-Beese-Grundschule in der Dresdner Neustadt verankert diese Grundannahme durch ein naturwissenschaftlich-technisches Profil in ihrem Konzept. Ziel der Schule ist, jedes Kind individuell, entsprechend seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten zum selbstständigen Denken und Handeln zu beflügeln.
Die Schule versteht sich als kreatives Feld, in dem Kinder dabei unterstützt werden, ihre besondere, eigenständige, einmalige Eignung bzw. Begabung herauszufinden, wie Melli Beese es tat.
Mit der Biographie der Namensgeberin Melli Beese, die für ihren Traum vom Fliegen lebte und kämpfte, verbindet sich der Anspruch der Schule, den Blick auf die Chancengleichheit von Mädchen und Jungen zu richten und geschlechterbezogenen Benachteiligungen entgegenzuwirken. RM